Vor wenigen Tagen erhielt der Zürcher Architekt Marcel Meili (geb. 1953) zusammen mit seinem Büropartner Markus Peter den wichtigsten Kunstpreis der Schweiz: den Grand Prix Kunst.
Persönlich entgegennehmen wird Meili ihn nicht mehr: Anfang Woche ist er nach schwerer Krankheit gestorben.
Kulturjournalistin Karin Salm erinnert sich an den Architekten, der die Schweizer Architekturszene nicht nur durch seine Bauten prägte – sondern auch als neugieriger Hochschullehrer und brillianter Theoretiker.
SRF: Karin Salm, Sie haben Marcel Meili persönlich gekannt und hatten verschiedentlich mit ihm zu tun. Wie haben Sie ihn erlebt?
Karin Salm: Das letzte Mal hatte ich mit Marcel Meili an einer Podiumsdiskussion zu tun, vor anderthalb Monaten. Es ging darum, Arbeiten von Studierenden zu diskutieren.
Obwohl er krank war, war Meili ein unglaublich engagierten Gast auf dem Podium. Er teilte grosszügig seine Erkenntnissen und Betrachtungen und stand den Arbeiten der Studenten wohlwollend gegenüber.
Es war ein unglaubliches Vergnügen, eine Art Abenteuer, seinen präzisen Ausführungen zuzuhören.
Ich erinnere mich auch gut an eine Radiosendung mit ihm und Martin Heller, dem ehemaligen künstlerischen Direktor der Expo 02.
Weshalb ist Ihnen diese Sendung in Erinnerung geblieben?
Meili äusserte sich zehn Jahre nach der Expo zu deren Folgen für die Architektur und Szenografie. Es war ein unglaubliches Vergnügen, eine Art Abenteuer, seinen präzisen Ausführungen zuzuhören.
Gleichzeitig sass ich als Journalistin auf Nadeln. Weil ich wusste, dass Marcel Meilis Komplexität und Freude am Grundsätzlichen nur schwer zum Radio passte, wo man das Kurze und Knackige so mag. Mit seinen intellektuellen Tiefenbohrungen sprengte Marcel Meili hier immer wieder den Rahmen.
Wenn Sie an Marcel Meili als Architekten denken: Welche Bauten kommen Ihnen da in den Sinn?
Das eine sind sicher die seitlichen Perrondächer beim Hauptbahnhof in Zürich aus den 1990er-Jahren. Das andere ist das Hochhaus Zölly in Zürich West: ein 77 Meter hohes, markantes Wohnhaus.
Vom Hochhaus bis zum Arthouse-Kino: Werke von Marcel Meili und Markus Peter
Oder natürlich der Neubau für das Gottlieb-Duttweiler-Institut, ein Bau, der in Rüschlikon über dem Zürichsee thront und eine wunderbare Ruhe ausstrahlt.
Was hat Meili als Architekten ausgezeichnet?
Seine Suche nach markanten Lösungen, die konstruktiv ziemlich komplex sind, einen Ort gleichzeitig definieren und prägen und gleichsam ins Auge springen.
Nehme wir die seitlich angefügten Perrondächer am Zürcher Hauptbahnhof: Sie bestehen eigentlich aus einem enormen Hohlkörper, der über den Geleisen schwebt und gleichzeitig weit in den Strassenraum kragt.
Gestützt wird dieses lange Dach von schräggstellten Betonstützen. Das Ganze ergibt eine merkwürdige und ganz eigene Kombination aus Mächtigkeit und schwebend Leichtem. Diese Widersprüche sind in sämtlichen seiner Bauten zu entdecken.
Marcel Meili war nicht nur ein Praktiker, sondern auch Lehrer und Architekturtheoretiker.
Ja, Marcel Meili hat immer auch viel geschrieben und in Fachzeitschriften publiziert. Als ETH-Professor hat er gemeinsam mit Roger Diener und dem Büro Herzog & de Meuron das ETH Studio Basel gegründet.
Seine Suche nach markanten Lösungen zeichnete den Architekten Marcel Meili aus.
Für viele Architekturstudentinnen und -studenten war das eine an- und aufregende Arbeit. Es ging in diesem ETH-Studio immer wieder um die Schweiz und wie diese räumlich funktioniert.
Entstanden ist in dieser Zeit die Publikation «Die Schweiz – ein städtebauliches Portrait», die unter anderem wegen des Begriffs und der Raumdefinition der «Alpinen Brache» für rote Köpfe sorgte.
In den letzten Jahren hat sich Marcel Meili mit dem Landschaftsarchitekten Günther Vogt und dem Ingenieur Jürg Conzett zusammengetan, um mit Architekturstudierenden auch über die Landschaft und Infrastrukturbauten nachzudenken. Das war typisch für Marcel Meili: immer über den eigenen Tellerrand und die Sparte hinauszudenken.
Das Gespräch führte Irene Grütter.