Zum Inhalt springen

Header

Audio
Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis für Johanna Schaible
Aus Nachrichten vom 28.05.2022. Bild: zvg
abspielen. Laufzeit 47 Sekunden.
Inhalt

44. Solothurner Literaturtage Johanna Schaible gewinnt Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis

Die Bernerin Johanna Schaible lotet die Grenzen des Bilderbuchs neu aus – und nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine persönliche Zeitreise. Mit ihrem Bilderbuchdebüt «Es war einmal und wird noch lange sein» gewinnt sie den Kinder- und Jugendbuchpreis.

Mit der Wahl von Schaibles Bilderbuch zeigt die Jury einmal mehr ihr Flair für Werke, deren Künstler und Künstlerinnen experimentierfreudig sind. Letztes Jahr war das Siegerbuch Martin Panchauds «Die Farbe der Dinge» – ein Buch voller Piktogramme, Infografiken und Symbole.

Dieses Jahr ist es ein Bilderbuch über den Begriff der Zeit, das alle Generationen anspricht und mit seiner innovativen Gestaltung neue Wege beschreitet.

Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis

Box aufklappen Box zuklappen

Der Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis wurde am Samstag an den Solothurner Literaturtagen zum dritten Mal verliehen. Er ist mit 10'000 Franken dotiert und getragen vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien sikjm, dem Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband SBVV und den Solothurner Literaturtagen.

Man zoomt sich der Gegenwart entgegen

Das Buch «Es war einmal und wird noch lange sein» beginnt mit grossen Seiten über die Vergangenheit. Auf grossflächigen, farbigen Illustrationen liest man kurze Texte, wie zum Beispiel: «Vor Milliarden von Jahren formte sich das Land». Auf der nächsten Seite steht «Vor Millionen von Jahren lebten Dinosaurier auf der Erde.» Und so blättert man sich mit kleiner werdenden Seiten mit sich veränderndem Format der Gegenwart entgegen.

Man erkennt, dass die Gegenwart auf der Vergangenheit aufgebaut ist und zoomt sie sozusagen zu sich heran. Bis man in der Mitte des Buches ankommt und dort auf einem Bild mit einer Sternschnuppe die Aufforderung liest: «Jetzt, wünsch dir was!» Die Seiten werden dann wieder grösser mit Fragen über die Zukunft.

Ein Buch mit universellen Themen

Johanna Schaible erzählt keine klassische Geschichte. Sie sieht sich selbst auch nicht als klassische Geschichtenerzählerin: «Mich interessieren die universellen Themen, die uns Menschen verbinden.» Sie experimentiert so lange, bis sie eine Form gefunden hat, die es erlaubt, einen abstrakten Begriff erfahrbar zu machen – und damit die Möglichkeit schafft, sich darüber auszutauschen.

Künstlerin und Illustratorin Johanna Schaible

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: SRF / Lukas Maeder

Die 38-jährige Johanna Schaible studierte Design & Kunst an der Kunsthochschule in Luzern. Seit ihrem Abschluss mit dem Bachelor of Arts 2013 arbeitet sie als Künstlerin und Illustratorin in Bern.

«Ich könnte nicht zeichnen, ohne zu schreiben. Beides muss ich von Beginn weg gleich behandeln, auch die Schrift ist ein Bildteil. (…) Zeichnen und Schreiben unterliegen keiner linearen Entwicklung. Der Prozess entspricht mehr einer Art Umkreisen, bis man das, was man will, eingekreist hat.»

Mehr über Johanna Schaible finden Sie auf der SRF Literatur-Plattform Ansichten.

In ihrem nun preisgekrönten Buch ist ihr das vollumfänglich gelungen. Die 38-Jährige erzählt: «Ich bin ausgegangen von Begriffen wie Zeit und Luft, wusste aber nicht, wohin mich das führt. Weil mich auch formal ungewöhnliche Bücher interessieren, habe ich von Anfang an auch mit dem Format gespielt. Mit der Zeit kam dann die Idee des Zooms und der Zeitreise.»

Das Zusammenspiel von Bild, Text und der materiellen Gestaltung hat die fünfköpfige Jury überzeugt. Jurymitglied Stefan Schröter stellt fest: «Dass ein Buch ausgezeichnet wird, dessen Materialität so wichtig ist, entspricht dem Zeitgeist. Durch die materielle Gestaltung grenzt es sich ab von der Digitalität.» Das Siegerbuch biete alles, was gute Literatur ausmacht, sagt Stefan Schröter weiter: Es rege unsere Vorstellungsbildung an und fordere unsere Urteilsbildung heraus.

Für alle Generationen

Die abwechslungsreichen, kunstvollen Bilder mit zum Teil philosophischen Fragen machen dieses Bilderbuch für alle Generationen attraktiv. Johanna Schaible sagt: «Wenn ein Enkelkind diese Geschichte mit seiner Grossmutter anschaut, ist es eine andere, als wenn sie zwei Kinder gemeinsam anschauen oder zwei Erwachsene.»

Stimmig und schön deshalb auch die Widmung auf der ersten Seite: «Für die Erwachsenen von morgen und die Kinder von gestern.»

Die anderen vier nominierten Bücher

Box aufklappen Box zuklappen
  • «Astor»
    Der Meeresbiologe Tito Moccia vereint in diesem Werk Bilder- und Sachbuch. Mit Schwarz-Weiss-Zeichnungen und kurzen Texten vermittelt er unterhaltsam und ohne moralischen Zeigefinger Wissenswertes über die Bedeutung des Meeres.

  • «Herr Bert und Alfonso jagen einen Dieb»
    Laura D’Arcangelo erzählt in hellen, warmen Farben die heitere Geschichte von Herrn Bert, der einfach von niemandem zur Kenntnis genommen wird. Eine sehr dynamische Erzählung, mit viel Liebe zum Detail in den Illustrationen.

  • «Moni heisst mein Pony. Spoken Word und Cartoons»
    Eine Sammlung von 20 Kurzgeschichten, nahe an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Andrea Gerster und Lika Nüssli erzählen mit grosser Lust an der Sprache und frechen, knalligen Illustrationen.

  • «Le Voisin»
    Die Geschichte einer nicht ganz so einfachen Nachbarschaft zwischen einem Nashorn und einer Elefantenfamilie. Walid Serageldines Bilder sind so präzise, dass sie ohne Text auskommen und die Aufmerksamkeit ganz auf die Figuren fokussieren.
  • Radio SRF, Nachrichten, 28.05.2022, 17:00 Uhr

    Meistgelesene Artikel