Zum zweiten Mal wurde diesen Samstag während der Solothurner Literaturtage der
Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis
verliehen. Der grosse Gewinner ist der Genfer Autor und Comiczeicher Martin Panchaud. Der 39-Jährige geht mit seinem Buch «Die Farbe der Dinge» radikal neue Wege. Es ist voller Piktogramme, Infografiken, Symbole. Die Figuren sind Punkte. Einige der Punkte unterhalten sich bereits auf dem Cover des Buchs über den Inhalt der Geschichte.
«Die Farbe der Dinge» ist Familiendrama, Roadnovel und Entwicklungsroman in einem. Die Geschichte eines Jugendlichen, der sich selbst und die Zugehörigkeit zu Gleichaltrigen sucht, kennen wir. Auch die verzweifelte Sehnsucht nach Geborgenheit und Verständnis in der Familie. Aber was wir bis jetzt nicht gekannt haben, ist Panchauds Umsetzung dieser Geschichte.
«Die Farbe der Dinge» – darum geht es
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Simon ist 14 und wohnt in einem Londoner Vorort. Von den Jungen aus dem Viertel wird er ständig gehänselt und zu allerlei Blödsinn angestachelt. Eines Tages hilft er einer Wahrsagerin beim Einkaufen. Als Dank verrät sie ihm den Gewinner des nächsten Pferderennens. Simon plündert die Ersparnisse seines Vaters, setzt auf den Aussenseiter – und gewinnt mehrere Millionen.
Das Problem: Ein Erwachsener muss den Schein unterschreiben. Doch Simon kann weder Vater noch Mutter darum bitten: Die Mutter ist brutal niedergeschlagen worden und liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Der Vater ist unauffindbar. Und dann taucht auch noch ein anderer Mann auf, der behauptet, Simons Vater zu sein. Das Chaos ist perfekt. Und der einzige, der einen Ausweg daraus finden kann, ist Simon selbst.
Panchaud spielt mit verschiedensten Bild- und Textformaten. Einige sind uns vertraut, andere stammen aus der modernen digitalen Kultur. Es gibt Strassenkarten, Zeitungsausschnitte, Kassenbelege. Und es gibt Infografiken, Chatverläufe, Piktogramme. Die Leserinnen schweben über der Geschichte. Panchaud erzählt sie uns aus der Vogelperspektive – mit Blick auf Szenen, die einem Videospiel ähneln. Unterschiedlichste Elemente behaupten nebeneinander selbstverständlich ihren Platz.
Codes verstehen, Bücher lesen
Filmähnliche Sequenzen – schnell geschnitten – und packende Dialoge schaffen es, dass man mit der Hauptfigur rennt, bibbert und kämpft. Obwohl die Figur nur ein Punkt ist.
Dazu hat Martin Panchaud einmal gesagt: «Es ist wie bei einem Videospiel: Sobald man die Codes verstanden hat, kapiert man, worum es in der Geschichte geht. Die grösste Kraft dieser Art von Sprache besteht darin, dass sie die Vorstellungskraft in uns anregt.»
Buchhinweis
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Martin Panchaud: «Die Farbe der Dinge». Edition Moderne, 2020.
Eine Zumutung im besten Sinne
Computergrafik findet je länger je mehr Eingang in unsere Wahrnehmung. Marcel Panchaud ist deshalb stets auf der Suche nach neuen Kommunikationsformen. Einem grossen Publikum ist er bereits bekannt – durch eine Adaption des Klassikers «Star Wars – A New Hope». Seine riesengrosse Zeichnung zum Scrollen wurde millionenfach heruntergeladen.
Zu Panchauds aktuellem Werk, «Die Farbe der Dinge», sagt Jurypräsident Daniel Ammann: «Das Buch ist ein tolles Leseerlebnis. Eine spannende, zugkräftige Geschichte und eine sehr originelle, visuelle Umsetzungsform.» Eben – eine Zumutung. Aber im besten Sinne.
Die anderen vier nominierten Werke
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«Bestiaire helvétique»
Mittels Schwarz-Weiss-Zeichnungen und kurzen Texten versammelt Marcel Barelli in diesem Sachbuch über 400 Schweizer Tierarten – alles Wirbeltiere. Unterhaltsame Lektüre über eine bedrohte Welt.
«Élise»
Diese Graphic Novel handelt von einem jungen Mädchen Ende der 1950-er Jahre. Als Kinder in der Schule brutal bestraft wurden. Es ist eine Chronik alltäglicher Gewalt, die der junge Westschweizer Fabian Menor in filigranen Schwarz-Weiss-Zeichnungen erzählt.
«Lila Perk»
Die zwölfjährige Lila hat ihre Mutter verloren. Mit ihrem Vater fährt sie zum Campieren in die Wildnis und zeigt, wie sie sich ihrem Vater langsam wieder annähert.
«Lulu in der Mitte»
Lulu ist ein «Sandwich-Kind». Sie hat einen grossen Bruder und eine kleine Schwester. Und fühlt sich manchmal unsichtbar, weiss nicht, ob sie selber gross oder klein ist. Micha Friemel erzählt, wie sich Lulu selber als die goldene Mitte entdeckt. Witzig und liebevoll illustriert von Jacky Gleich.
Radio SRF 1, Eins für d Familie, 15.5.2021, 10 Uhr
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