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Die hohe Kunst des Alleinseins: Autor Daniel Schreiber und sein Buch «Allein»
Aus Kultur-Aktualität vom 16.11.2021. Bild: © Christian Werner
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«Allein» von Daniel Schreiber Die hohe Kunst des Alleinseins

Allein leben, ohne Beziehung – das gilt gewöhnlich als Mangel. Warum eigentlich, fragt sich der Autor Daniel Schreiber.

Mehr und mehr Menschen leben allein. In der Schweiz sind es ein Viertel der Erwachsenen. Trotzdem wird das Alleinsein in der Gesellschaft eher als eine Phase oder auch als ein Manko angesehen.

Der Journalist und Autor Daniel Schreiber hat das zum Anlass genommen, sich diesem Lebensgefühl in einem klugen Essay zu widmen. Dabei geht er von eigenen Erfahrungen aus: Schreiber, Mitte 40, lebt nach mehreren Beziehungen selbst seit geraumer Zeit allein.

Mann in Denimhemd mit grosser Brille und Dreitagebart (Daniel Schreiber)
Legende: Der Journalist und Autor Daniel Schreiber lebt seit längerer Zeit selbst allein. © Christian Werner

«Eigentlich wollte ich ein Buch über das Thema Freundschaft schreiben», erklärt er. Denn Freunde nehmen in seinem Leben einen hohen Stellenwert ein: Mit den einen feiert er Weihnachten. Mit anderen führt er wichtige Gespräche oder legt gemeinsam einen Garten an.

Kann man allein glücklich werden?

Die Euphorie über diese Freundschaften habe am Anfang seines Buches gestanden, sagt er. Bei der Recherche habe er jedoch gemerkt, wie sich sein Fokus verschiebe. Er habe sich die Frage gestellt, «ob man allein, also ohne eine romantische Beziehung, ein gutes, ein erfülltes Leben führen kann.»

In seinem Essay geht Schreiber darum der Frage nach, weshalb die Gesellschaft das Single-Dasein eher als Schwäche betrachtet. Trotz vieler Fernsehserien, die unter besten Freundinnen und Freunden spielen: Am Ende ist die Freundschaft nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die romantische Beziehung.

«Grausamer Optimismus»

Dabei webt Schreiber spannende Gedanken von Psychologen und Philosophinnen ein. Etwa von der kürzlich verstorbenen US-Kulturwissenschaftlerin Lauren Berlant. Sie nannte den Druck, nach einer glücklichen Paarbeziehung streben zu müssen, eine Form des «grausamen Optimismus».

Der Autor selbst sieht das ähnlich. Die Gesellschaft würde an einer Fantasiekonstruktion des guten Lebens festhalten. Dabei sei das Ideal der Zweisamkeit für viele Menschen nicht einfach so zu erfüllen oder gar unrealistisch. Schreiber wünscht sich deshalb, dass alternative Lebensmodelle weniger stark bewertet werden.

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Doch auch wenn Schreiber dem Alleinsein viel Positives abgewinnen kann: Ganz so einfach ist das nicht. Denn mitten während der Arbeit am Buch gerät ihm die Pandemie dazwischen. Sie bringt sein Leben mit allen Ritualen und liebgewonnenen Freundschaften völlig aus dem Gleichgewicht. Plötzlich fühlt er sich nicht nur allein, sondern einsam.

Corona als kollektive Einsamkeitserfahrung

Ein Grossteil des Buches ist deswegen der existenziellen Einsamkeit gewidmet, einem Gefühl, das wohl jede und jeder kennen dürfte. Gerade die Pandemie sei eine kollektive Einsamkeitserfahrung, ist Schreiber überzeugt.

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Viele Philosophinnen und Philosophen hätten sich mit der Einsamkeit beschäftigt, sagt er. Sie stelle eine prägende Erfahrung dar und sei «etwas, ohne das wir nicht die Menschen wären, die wir sind.»

«Allein» ist ein kluger Essay über das Zusammenleben mit anderen und die Zeit mit sich allein. Das Buch bietet nicht nur Singles und Alleinlebenden viele Denkanstösse. Denn allein sein zu können, ist eine Ressource, die allen Menschen nützt. Selbst dann, wenn sie eigentlich die Zweisamkeit suchen.

Buchhinweis

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Daniel Schreiber: «Allein», 2021, Hanser Berlin

SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 16.11.2021, 07:06 Uhr.;

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