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«Asterix: Die weisse Iris» Die spinnen, die Gallier! Political Correctness bei Asterix?

Im 40. Band ist das gallische Dorf nicht wiederzuerkennen. Konflikte werden mit Worten statt Fäusten gelöst, Achtsamkeit hält Einzug. Kann das gut gehen?

Wenn die Gallier plötzlich lieber Gemüse essen statt Wildschweine, miteinander reden, statt sich gleich zu verhauen und sogar freiwillig ihrem Barden Troubadix lauschen – dann hat das gallische Dorf ein ernstes Problem.

Asterix und Miraculix haben die Ursache rasch ausgemacht: Visusversus, ein urbaner Phrasendrescher in Cäsars Diensten.

Auszug einer Asterix-Comics: vier Bildtafeln beschreiben das Treiben einer Dorfgemeinschaft in Bild und Text.
Legende: Verkehrte Welt in Gallien: gesünder essen, Sport treiben, achtsam leben und positiv denken – zu viel des Guten für Asterix und Obelix. Egmont Ehapa Media/ © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

«Die Zeiten ändern sich», schwafelt Visusversus ganz am Anfang: «Dank meiner Methode ändern sie sich noch schneller.»

Positives Denken

Visusversus hat zwei Aufträge: Er soll die Legionäre dank positivem Denken zu selbstbewussteren Kämpfern machen. Und er soll den Wehrwillen der Gallier schwächen, indem er sie zu Achtsamkeit erzieht.

Comiczeichnung, bei der ein bärtiger Mann seiner Frau schmeichelt.
Legende: Wie Visusversus, der schneidige Römer, versucht sich im neuen «Asterix»-Band auch Häuptling Majestix, seiner Frau Gutemine zu schmeicheln. Egmont Ehapa Media/ © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

Sie funkle und schillere, schmeichelt Visusversus etwa Gutemine, der Frau des Chefs Majestix. Und Majestix selber rühmt er als «Recken mit der majestätischen Waldtierstimme, die alle Herzen schwingen lässt.» Es gelingt ihm sogar, die ewige Fehde zwischen dem Schmied Automatix und dem Fischhändler Verleihnix zu entschärfen.

Ganz Gallien ist von der neuen Achtsamkeit infiziert

Die Gallier fallen auf die Schmeicheleien und die Kalenderweisheiten des glatten Römers mit den Allüren eines aufdringlichen Personalcoaches herein. Dass seine wallende graumelierte Haarmähne an die des französischen Salon-Philosophen Bernard Henri-Lévy erinnert, ist ein hübsches Detail.

Comiczeichnung: ein hochgewachsener Mann in Sandalen, altrömischem Gewand und Umhang schaut überheblich drein.
Legende: Visusversus, ein urbaner Phrasendrescher in Diensten Cäsars, soll dem gallischen Dorf positives Denken beibringen. Ob er ihnen so ihren widerspenstigen Geist austreiben wird? Egmont Ehapa Media/ © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

Dynamik nimmt «Die weisse Iris» auf, als Gutemine mit Visusversus nach Lutetia durchbrennt, in die hauptstädtische Kulturszene eintaucht und feststellt, dass bereits ganz Gallien von der neuen Achtsamkeit infiziert ist. Auf der Suche nach Gutemine landen auch Asterix, Obelix und Majestix in Lutetia und schlagen sich mit neumodischen urbanen Ärgernissen wie Leih-Rollern herum.

Spöttisch hohle Sinnsprüche entlarven

Anachronismen sind eine Essenz von «Asterix». Das kleine Widerstandsnest im grossen Imperium dient oft als Spiegel unserer Zeit. Deshalb überrascht es nicht, dass der neue Asterix-Autor Fabcaro sich spöttisch des positiven Denkens und der Achtsamkeit annimmt.

Gewisse von Visusversus Weisheiten persiflieren übertriebene Achtsamkeit auf höchst amüsante Weise: «Die Blüte einer einzigen Iris erleuchtet den ganzen Wald.» Oder: «Ein Problem hört auf, eines zu sein, sobald es keine Lösung dafür gibt.» Das klingt tiefsinnig, ist aber einfach nur Flachsinn. 

Angst vor dem eigenen Mut

Der Witz dieser Sinnsprüche erschöpft sich aber bald, zumal es Fabcaro verpasst, seinem Zerrbild unserer Zeit mit verwandten Anliegen wie etwa Diversität und Gerechtigkeit mehr Tiefe und Schärfe zu verleihen. Es ist, als hätte der neue «Asterix»-Autor Angst vor dem eigenen Mut bekommen, das gallische Widerstandsnest mit neuen Gedanken zu konfrontieren.

Ein Mann mit Stoppelbart und Ohrring sitzt neben den zwei Plastik-Comicfiguren Asterix und Idefix
Legende: Fabrice Caro, genannt Fabcaro, ist feiner Beobachter des Zeitgeistes und der Autor des neuen, mittlerweile 40. Asterix-Bandes «Die weisse Iris». Egmont Ehapa Media / Christophe Guibbaud

Deshalb strafen Asterix, Obelix, Majestix und Miraculix – die einzigen, die sich vom süssen Achtsamkeitssprech nicht einlullen lassen – Visusversus Lügen.

Prügel und Festmahl

Im gallischen Widerstandsnest ändern sich die Zeiten eben nicht. Wie in den 39 Alben zuvor wird das Fremde und Neue erfolgreich aus dem Dorf vertrieben: Eine Keilerei und das obligate Festmahl mit vielen gebratenen Wildschweinen stellen den Status Quo wieder her. Und der kurz zuvor noch gefeierte Troubadix feiert wie gewohnt gefesselt und geknebelt mit.

Alles darf so bleiben, wie es schon immer war.

Buchhinweis

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Didier Conrad: «Asterix: Die weisse Iris». Egmont Comic Collection, 2023.

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SRF 1, Tagesschau, 26.10.2023, 19:45 Uhr

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