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Bilanz des Festivals Digital, divers, dicht: So waren die Solothurner Literaturtage

Die Solothurner Literaturtage mussten wegen Corona als Buch-Festival im Netz stattfinden. Aber auch in der digitalen Ausgabe hat eins gestimmt: der Inhalt.

Kommt das gut oder verkommt das Ganze zur Lachnummer? Wie ein Damoklesschwert schwebte diese Frage über den 42. Solothurner Literaturtagen, die für einmal als digitales Festival über die Bühne gingen.

Die Antwort: Es kam gut. In weiten Teilen zumindest. Zwar fehlte viel von dem, was die Literaturtage ansonsten ausmacht: die Festivalstimmung, der Beizenbesuch, die spontanen Begegnungen in der Solothurner Altstadt.

All dies fiel unter den Tisch, weil die Besucherinnen und Besucher die Gespräche in steriler Isolation per Livestream verfolgen mussten.

Packende Inhalte

Doch wer sich einklinkte, kam inhaltlich auf die Rechnung. Etwa als sich im Eröffnungstalk die Autorin Simone Lappert und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga über die Verunsicherungen durch die Corona-Krise austauschten. Sie beide, sagten sie, würden gerade jetzt aus der Literatur schöpfen. Berührend.

Zu den Höhepunkten der Onlineausgabe zählten Formate, in denen sich Teilnehmer in Videokonferenzen zuschalten und mitwirken konnten: Etwa zusammen mit dem Übersetzer Ulrich Blumenbach einen literarischen Text in eine andere Sprache übertragen.

Oder in einer Runde von Autorinnen und Autoren über ein noch unveröffentlichtes Stück Prosa diskutieren: Passen die sprachlichen Bilder im zweiten Absatz? Stimmt die Logik des letzten Satzes? Erhellend.

Leider ausgebucht

Einziger – grosser – Wermutstropfen bei den interaktiven Formaten: Die Platzzahl war jeweils auf wenige Dutzend beschränkt. Die kleinen Runden waren schon vor Beginn des Festivals praktisch alle ausgebucht.

Weshalb gab es nicht für alle Interessierten die Möglichkeit, zumindest zuzuschauen? Um die Intimität des kleinen Kreises zu gewährleisten? Die entstand am Bildschirm ohnehin nicht.

Persönlich ging es auch in den allgemein zugänglichen Gesprächen zu und her: Die Autorin Zsuzsanna Gahse erzählte etwa von ihrer Leidenschaft, Bücherideen auszusortieren.

Nur Weniges nehme sie mit an einen ihrer drei Tische, die sie zum Schreiben besitze. Viele Ideen versänken in der Schublade.

Die Tücken der Technik

Einblicke wie diese liessen über das bisweilen handgestrickte Erscheinungsbild der Literaturtage hinwegsehen: Dass etwa die Autorinnen und Autoren oft im Gegenlicht gefilmt wurden und so mehr als Schattenrisse erkennbar waren.

Oder dass Moderationen gelegentlich abgelesen und hölzern wirkten. Dass in Zoomsitzungen manchmal auch die Technik streikte.

Dies alles liess einen eigenen Charme entstehen. Einer, der auf dem Umstand beruhte, dass diese digitalen Literaturtage einen organisatorischen Kraftakt darstellten, den das Team um die scheidende Leiterin Reina Gehrig in bewundernswerter Weise geleistet hatte.

Mehr Digitales in Zukunft

Über 10'000 Zugriffe haben die Veranstalter während der zwei Tage des Onlinefestivals verzeichnet. Reina Gehrig spricht von einem «Experiment», das «geglückt» sei.

Ihr designierter Nachfolger Dani Landolf schliesst nicht aus, das Festival in Solothurn in Zukunft mit einzelnen Events «in den digitalen Raum auszuweiten». Eine vollständige Verlagerung in den Cyberspace wünscht sich wohl kaum jemand.

Denn auch dies hat diese 42. Ausgabe gezeigt: Die Literatur braucht Räume, in denen sich Kunstschaffende und Publikum physisch begegnen können. Erst so kann die Magie der Sprache zum gemeinsamen Erlebnis werden. Analog, und nicht digital.

Sendung: SRF 1, Tagesschau, 22.5.2020, 19:30 Uhr

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