Der im Stile eines Noir-Krimis konstruierte Roman führt in die 1930er-Jahre, mitten in die Zwischenkriegszeit. Die Bier-Metropole Milwaukee wird Bühne von Kriminalität, politischer Unruhe und Jazz. In der Nähe von Chicago, wo die Prohibition ihr letztes Zucken erlebt, entfaltet Pynchon eine Wunderkammer burlesker Einfälle – halb Revue, halb Schattenspiel, bevölkert von schrägen Gestalten.
Ein Detektiv im Chaos
Im Zentrum steht Privatdetektiv Hicks McTaggart. Schon der erste Satz setzt den Ton: «Wenn Ärger in die Stadt kommt, nimmt er meist die North-Shore-Linie.»
Hicks taumelt durch Explosionen, Speakeasys (illegale Kneipen und Clubs) und undurchsichtige Machenschaften, begegnet Boss Boynt Crosstown, dem Taschendieb Skeet Wheeler oder der Sängerin April Randazzo. Gewalt, Jazz, Politik und Slapstick gehen nahtlos ineinander über.
Bomben, Käse, Faschisten
Eine Serie von Anschlägen erschüttert die Stadt. Italienische Mafia, Faschisten, lokale Verschwörer – niemand weiss, wer dahintersteckt. Hicks erhält den Auftrag, die verschwundene Tochter des Käsemagnaten Bruno Airmont aufzuspüren. Aus dem genregängigen Suchauftrag wird eine tanzlaunige Reise in die Finsternis von bizarren Orten, Menschen und Sensationen. Der Übergang ins Groteske gelingt mühelos: Brunos Käse ist natürlich radioaktiv.
Eine kleine Kostprobe: «Radio-Cheez war so konzipiert, dass er nie verdarb – dank einer geheimen, obsessiv gehüteten radioaktiven Zutat. Gläser explodierten in Supermarktregalen, sprangen wie Minen in Flüssen auf und mussten von Scharfschützen abgeschossen werden. Man fischte strahlende Brocken noch Monate später aus den Netzen der Fischer im Michigansee.»
Jazz, Liebe, offene Enden
Pynchon mischt Farce und Ernst: wenn das Nachtclub-Trio Schnucki, Dieter und Heinz auf einem dreisitzigen Motorrad über die Lande knattert oder paramilitärische Trupps am Michigansee auftauchen. Stimmen im Radioknistern verraten zu viel, das Paranormale bleibt nur angedeutet.
Wie so oft bei Pynchon geht es weniger um eine stringente Handlung als um das Changieren der Ebenen: politische Radikalisierung, ökonomische Kämpfe, das Ausfransen der Kriminalität nach der Prohibition – und die private Suche nach Liebe. Hicks tanzt mit April Randazzo, während draussen die Stadt bebt.
Wundertüte voller Einfälle
«Schattennummer» ist Krimiparodie, Gesellschaftssatire und historische Parabel zugleich. Pynchon glänzt mit lakonischem Witz im Stil einer Screwball-Komödie und enzyklopädischer Fülle: Bowlingkugeln, die im Ofen explodieren, Jazzkneipen mit Stimmen aus dem Äther, Gerüchte über U-Boote im Michigansee. Und dann die düstere Pointe:
«Das gibt einen Bürgerkrieg.» – «Wegen Eiswaffeln?» – «Das könnte der Zündfunke sein. Milch ist das uramerikanische Getränk, wichtiger als Bier, sogar in Milwaukee.»
Pynchons neuer Roman ist brillanter Nonsense, ein Feuerwerk komischer Einfälle – manchmal überbordend, oft saukomisch, stets einen «Hauch drüber». Aber Pynchon darf das, beherrscht es meisterhaft, und am Ende rückt die Frage nach dem Sinn in den Hintergrund. Hinter dem Jux lauert jedoch der Wahnsinn, der uns heute weltweit entgegenbläst.