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Literatur «Der macht seinen Weg»: Büchner-Preisträger Rainald Goetz

Er war Mediziner und Althistoriker, bevor alles anders kam. Mit dem Roman «Irre» beginnt Rainald Goetz ein Schriftstellerleben, das ebenso exzentrisch wie intensiv verläuft. Die höchste deutsche Literaturauszeichnung für den Strategen der Texte und Performances war überfällig.

Man reibt sich Augen, wenn man die Nachricht aus Darmstadt liest: Jetzt also doch. Spät, sehr spät geht diese höchste deutsche Literaturauszeichnung an Rainald Goetz. Goetz hat sie verdient, auf seine Art. Sie war überfällig.

Seit über drei Jahrzehnten schreibt dieser Autor Bücher und Texte, die zum Besten, ganz sicher Eigenständigsten der Literatur gehören. Trotzdem zählt Rainald Goetz nicht zu den wirklich Arrivierten, seine Arbeiten sind noch immer Anlass zu Diskussionen. Rainald Goetz polarisiert und er will es so.

Pop-Literatur ist preiswürdig

Der wichtigste deutsche Literaturpreis geht an den wichtigsten Exponenten der Pop-Literatur. Rainald Goetz ist Avantgarde, zu Anfang und er ist es noch immer. Von Beginn an schliesst das die Performance ein.

Seine öffentlichen Auftritte sind Teile des Ganzen. Sie gehören zu ihm wie seine Texte. Beim Wettlesen in Klagenfurt 1983 wird er berühmt, als er beim Vorlesen die Stirn mit der Rasierklinge ritzt und Blut auf das Papier tropft. Schon das ist Kalkül im Kampf um Aufmerksamkeit, aber es passt auch zum Text, den er damals liest.

Der junge Mann

Er ist jung, als er mit seinem ersten Roman «Irre» überzeugt und er ist es in Haltung und Sprache geblieben. Seit 1983 schreibt Goetz in allen Genres: Romane, Stücke, tagebuchartige Aufzeichnungen, Hör-CDs mit Partnern aus der Techno-Szene.

Er hat mit DJs wie Westbam gearbeitet und mit Pop-Theoretikern wie Diedrich Diederichsen in Berlin Vorlesungen gehalten. Immer geht es um Teilnahme und Beobachtung, um die Chronik der laufenden Ereignisse und um ihren Kommentar. Legendär sind seine Titel: «Rave», «Loslabern» oder «Abfall für alle», so etwas wie der erste Blog, bevor das Bloggen erfunden wurde.

Kritik der Gier

Zuletzt ist Goetz mit seiner Parabel «Johann Holtrop» wieder zum Roman zurückgekehrt. Die Kritik der Gier ist sein Thema, die Gier der Gegenwart, der Konzerne und ihrer Exponenten. Goetz will modern sein, Chronist und Kritiker.

«Der macht seinen Weg», ist der Titel eines autobiografischen Essays, den er mit 24 Jahren in der Zeitschrift «Kursbuch» veröffentlicht. Die Ironie im Titel ist hörbar.

Die Jury des Büchner-Preises hat es so ausgedrückt: Rainald Goetz ist ein Autor, der sich mit «einzigartiger Intensität zum Chronisten der Gegenwart und ihrer Kultur gemacht hat». So ist es.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 8.7.15, 17.15 Uhr

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