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Literatur Desillusionierte singen länger

Oper lebt von Illusionen. Doch wer auf die Bühne will, sollte sich besser keine machen. Das Buch «Opernsänger – Überlebenstraining» gibt auch Laien Einblick: Eine Pianistin, ein Sänger-Manager und ein Psychotherapeut leuchten hinter die Kulissen.

Die Faszination der Oper ist ungebrochen, auch wenn in Italien und Spanien die Opernhäuser unter dem Spardruck ächzen und ums Überleben kämpfen.

Dutzende von hoffnungsvollen Talenten konkurrieren jedes Jahr um Studienplätze an den Hochschulen oder besuchen Meisterkurse.

Opernführer

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Der SRF-Opernführer stellt Opern vor und beweist, wie zeitgemäss und mitreissend sie sind.

Scheitern auf dem Weg zur Spitze

Doch der Weg zur Opernsängerin, zum Bühnenberuf, er ist wie eine Bergsteiger-Expedition: Überall droht der Absturz, das Scheitern auf dem Weg zur Spitze.

Hier setzen die Autoren des Buches «Opernsänger – Überlebenstraining» an, die aus langjähriger Praxis zusammengefunden hat.

Das Autoren-Trio besteht aus der Liedbegleiterin Christina Lemnitz, die die Nöte der Sänger aus nächster Nähe miterlebte und selbst als Tochter einer Opernsängerin aufwuchs; dem Manager David Molnàr, der ein Studium als Sänger absolvierte und dann den Beruf wechselte. Und dem Psychotherapeuten Andreas Hillert, der aus seiner Praxis teils tragische Fälle kennt.

Hoffnung stirbt zuletzt

Da ist die Sängerin, die auch mit über 40 noch an die grossen Opernhäuser reist, dort Korrepetitions-Termine bei den Pianisten des Hauses reserviert und immer noch hofft, per Zufall bei so einer Probe entdeckt zu werden.

Oder der Kollege, der als Einspringer bei der letzten Vorstellung seines Engagements in der Kantine sitzt und angesichts seines leeren Terminkalenders nicht weiss, wie es weitergehen soll.

Statistische Zahlen fehlen völlig

Viele leben ihren Traum von der grossen Karriere, doch der Weg zur Spitze ist mühsam und voller Klippen. Und wie viele Talente dabei auf der Strecke bleiben, ist nur schwer abzuschätzen. Kritisch merken die Autoren an:

«Es gibt bis dato keine tragfähigen Zahlen über die realen Lebenswege von Sängern und denjenigen, die es mal werden wollten. (…) Er wäre eine elementare Aufgabe jeder (…) Hochschule, solche Statistiken vorzuhalten. Dass diese – zumal wenn es um repräsentative Daten geht – komplett fehlen, ist nicht nur bemerkenswert. Es ist Teil des Abgrundes.»

Buchhinweis

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Andreas Hillert, David Molnár, Christian Lemnitz: «Opernsänger – Überlebenstraining. Was Sänger nicht fragen, aber wissen sollten». AMA-Verlag, 2016.

Situation an der Oper ist prekär

Das Buch bietet nicht nur Überlebenstraining, es will auch Starthilfe geben und für eine realistische Einschätzung der Chancen und Risiken sorgen. Denn die Situation der Opern in der Kulturlandschaft heute ist prekär.

Was ist die Motivation für den Weg als Sängerin? Was sind die Kriterien für den eigenen Erfolg: Muss es unbedingt die MET in New York sein, oder reicht es, im Lande zu bleiben und vom Singen leben zu können?

Selbstwert und «Vitamin B»

Auch der Wert des Gesangsunterrichts, der Umgang mit dem vermaledeiten Lampenfieber und die heiklen psychologischen Fragen von Selbstwert und Selbstbewusstsein im Sängerberuf werden angesprochen.

Je ein Kapitel widmet sich auch dem berüchtigten «Vitamin B» und dem Auftritt der Künstlerin im Internet – der persönlichen Homepage.

Ungeschminkte Wahrheiten

In je einem längeren Interview kommen ein Sänger-Agent und ein leidlich erfolgreicher Sänger zu Wort. Anonym, und darum umso aussagekräftiger. Ungeschminkt liest man, was kein Opernstar je in einem Hochglanzmagazin je von sich geben würde.

Und die Ansichten darüber, ob ein Opernsänger, eine Sängerin, heute einen Manager braucht, gehen dabei weit auseinander.

Dabei ist der unkonventionelle Studienführer kein miesepetriges Buch. Im Plauderton spricht es die Probleme und Schwierigkeiten an, nimmt aber die ungebrochene Faszination der Opernkunst dabei sehr ernst.

Gegen einen Plan B

Es plädiert dafür, nicht nur einen Plan B für die Karriere zu entwerfen – zwei A-Pläne seien entschieden besser. Wenn nicht die MET, dann eben die persönliche Nische. Denn, so sagt es der Sänger im Interview:

«Ein Sänger, der es langfristig fest an ein Haus gebracht hat, auch wenn es keine Staatsoper ist, und Kollegen, die als Freie mindestens drei Produktionen im Jahr singen, diese Kolleginnen und Kollegen gehören absolut zur Spitze in unserem Fach. Die allermeisten schaffen das nicht. Und in Zukunft wird es jedenfalls nicht leichter werden.»

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