Alltäglicher könnten sie nicht sein, die Szenen und Geschichten, die Richard Yates (1926-1992) in seinen sieben Romanen und mehreren Erzählbänden dem Leben von Paaren und Familien widmet.
Geschichten der Liebe
Zwei Frauen, die sich eigentlich nicht besonders mögen, gehen zusammen aus, weil ihre Männer fort sind und sie genug haben von Haushalt und Kindern. Ein junger Mann vertraut auf einer Tuberkulosestation seine rätselhafte Liebesgeschichte seinem Bettnachbarn an. Ein anderer Mann kehrt, geschwächt von einer Operation, zu Frau und Kind zurück, und macht auf einmal alles falsch.
Mit dem Short-Stories-Band «Eine letzte Liebschaft» schliesst die Deutsche Verlags-Anstalt ihre Yates-Ausgabe nun ab.
Verletzlich sind beide Seiten
Männer und Frauen – so nahe sie einander auch kommen können und so sehr sie sich nach einander sehnen – scheinen doch manchmal auf zu weit entfernten Planeten zu wohnen. Verständigung scheint unmöglich. Auf diese Tragik laufen viele von Richard Yates' literarischen Texten hinaus.
Dabei verfügt der grosse, bis heute unterschätzte Romancier über die Fähigkeit, die Verletzlichkeit beider Seiten glasklar und zugleich in ihrer Komplexität zu erfassen.
Immer wieder erscheint es so, als existiere echtes Verständnis, tiefe Harmonie nur dort, wo Männer unter Männern, Frauen unter Frauen sind.
Zeitalter der Angst
Zwischen Yates' Paaren dominieren Konkurrenz und Abwehr: Wenn etwa auf einer Party beim Cocktailgespräch die Frauen knallhart konkurrieren, welcher Ehemann im Krieg der ranghöchste war. Wenn Mann und Frau dann von der Party nach Hause gehen, sind die Verletzungen wieder ein bisschen tiefer geworden.
Beiträge zum Thema
Aber Yates schreibt nicht nur über die Kluft zwischen Sehnsucht und Enttäuschung – er schreibt auch gegen diese Kluft an.
Seine Geschichten leuchten einerseits eine Phase des 20. Jahrhunderts aus, die in Amerika «Age of Anxiety», das Zeitalter der Angst, genannt wird: jene zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als unverarbeitete Traumata und gesellschaftlich verordnete Harmoniesucht aufeinanderstossen.
Frisch und fundiert
Andererseits erscheinen seine Geschichten frisch und keineswegs veraltet, liegt ihnen doch ein ähnlich tiefes Wissen um das psychologische Geschehen zwischen den Geschlechtern zugrunde wie etwa den Geschichten eines Raymond Carver.
Wie bei Carver werden auch Yates' Stories dadurch herzzerreissend, dass eine Art unbelehrbare Sehnsucht sie antreibt, es möge auch mal gut gehen zwischen Liebenden.
Alles kommt anders
Wie in der letzten Geschichte des Bandes, in der George von einer Operation nach Hause kommt. Seine Frau geht mit dem Kind raus und bittet ihn darum, die neuen Teetassen auszuspülen. Aber wie so oft schafft George es auch diesmal, Porzellan zu zerschlagen.
Verzweifelt spielt er, bevor sie heimkommt, alle Varianten des zu erwartenden Ehedramas durch. Dass es in dieser Geschichte dann doch ganz anders kommt, zeigt, dass man bei so klug gearbeiteten Texten wie jenen von Richard Yates immer auf alles gefasst sein muss.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 04.01.2017, 16:50 Uhr.