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Lesen mit Simone Buchholz «Hemingway hat mich umgehauen»

Für «Literaturclub»-Gastkritikerin Simone Buchholz haben Bücher nicht immer eine grosse Rolle gespielt. In der Jugend gab's spannenderes als Literatur. Bis sie irgendwann zu Hemingway griff.

Simone Buchholz

Schriftstellerin

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Die deutsche Schriftstellerin Simone Buchholz (*1972) ist bekannt für ihre Krimis, die im Hamburger Milieu spielen. Für ihre Reihe um Staatsanwältin Chastity Riley hat sie bereits zweimal den Deutschen Krimi-Preis erhalten.

Gibt es das: Ihr liebstes Buch?

Oh ja: Dorothy Parker, New Yorker Geschichten. Wenn ich nur ein Buch behalten dürfte, wäre es das. Tiefe Seele, klarer Geist, brillanter Humor, all I need.

Wann kommen Sie zum Lesen? Und wo am liebsten?

Ich versuche jeden Abend zu lesen, vor dem Einschlafen. Ein Ritual, das meinen Kopf aufräumt. Sollten alle machen. Und ich lese viel in Zügen, weil ich leidenschaftliche Bahnfahrerin bin.

Mehrere Bücher gleichzeitig? Eins nach dem anderen?

Eins nach dem anderen, sonst geht mir zu viel verloren.

Ein Buch, das Ihnen die Liebe zum Lesen eröffnet hat?

Während meiner Teenagerzeit habe ich so gut wie gar nicht gelesen, ich war zu sehr mit Musik, Motorrädern und Jungs beschäftigt. Mir fehlt also ein grosser Teil der klassischen Jugendliteratur – mit 18 habe ich dann aber Ernest Hemingway aus dem Bücherregal meiner Eltern gezogen. «Der Garten Eden» hat mich umgehauen.

Kurz danach kamen «Der Fänger im Roggen» von J. D. Salinger und Anäis Nins Tagebücher. Von da an wollte ich nicht nur so viel lesen wie möglich, sondern auch schreiben.

Leider langweilt mich Proust furchtbar.

Ihr Krimiklassiker?

Raymond Chandler, «Der grosse Schlaf». Aktuell zu haben in einer fantastischen Neuübersetzung von Frank Heibert.

Und ein Krimi für Leute, die wenig Krimis lesen?

«Glorreiche Ketzereien» von Lisa McInerney. Das ist literarische Gesellschaftskritik zum Herzen rausreissen, erschienen bei Liebeskind in einer wirklich sehr guten Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence.

Und auf jeden Fall die Romane des schottischen Autors Graeme Macrae Burnet. Sein Roman «His Bloody Project» war 2016 auf der Shortlist für den «Booker Prize». Macrae Burnet ist eine moderne Mischung aus Simenon und Dostojewski – hier würde ich allerdings die Originale empfehlen, erschienen im schottischen Independent-Verlag Saraband.

Ein Buch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen?

«Happy Birthday, Türke!» von Jakob Arjouni. «Tschik» von Wolfgang Herrndorf. Und «Hobalala» von Marc Fischer.

Alle drei Schriftsteller sind viel zu früh gestorben, ihre Stimmen fehlen mir. Sie immer wieder zu lesen, macht sie natürlich nicht wieder lebendig, aber es tröstet mich ein bisschen.

Ein Buch, bei dem Sie laut lachen mussten?

«Fox 8» von George Saunders. Gegen Ende unfassbar traurig, aber die erste Hälfte ist zum Kaputtlachen. Für Leserinnen und Leser von 8 bis 108 und definitiv ein Kandidat für den literarischen Kanon.

Eine Leseleiche: ein Buch, das Sie einfach niemals beenden?

Marcel Proust, alles. Himmel, wie oft hab ich versucht, das zu lesen, weil ich dachte, ich müsste. Aber leider langweilt es mich ganz furchtbar.

Ein Buch, das Sie gerne verschenken?

William Boyd: «Eines Menschen Herz». Ich glaube, alle meine Freundinnen und Freunde haben es schon im Regal stehen. Ein grosser Roman und eine wunderbare Erzählung von Menschlichkeit. Davon sollte jede und jeder so viel wie nur irgend möglich verstehen.

Ein Buch, das Sie Kindern gerne vorlesen?

«Der Räuber Hotzenplotz» natürlich. Ich habe ihn aber auch schon Erwachsenen vorgelesen.

Das Gespräch führte Markus Tischer.

Sendung: SRF 1, Literaturclub, 4.2.2020, 22.25 Uhr

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