Seit über 30 Jahren befasst sich Peter Köhler mit einer Schattenseite unseres Wesens: dem Täuschen, Fälschen und Betrügen. Den Göttinger Schriftsteller fasziniert diese «Gegentendenz zur Wahrheit». Der Mensch strebe nun mal nach der Verwirklichung der Eigeninteressen – da sei die Täuschung halt ein Mittel, um Erfolg zu haben.
3sat-Serie «Der Meisterfälscher»: Beltracchi malt ...
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Manchmal ist Fälschen auch konstruktiv
Allerdings ist dieses Mittel für Köhler nicht im Vornherein verwerflich. Fälschen könne Spass bereiten, behauptet er. Der 58-Jährige erkennt darin ein mitunter konstruktives Stören der vermeintlichen Ordnung. Denn Fälschungen würden auf gesellschaftliche Missstände reagieren. In ihnen komme «etwas Tieferes, Entlarvendes» zum Ausdruck.
Vom Hochstapler Hauptmann von Köpenick ...
Köhler spielt damit auf eine Grundbedingung der wirksamen Fälschung an: Um authentisch zu sein, muss sie in die jeweilige Zeit passen – so wie die Maskerade von Wilhelm Voigt. Der Schuhmacher gab sich 1906 als Hauptmann von Köpenick aus. Dies gelang ihm nur, weil die deutsche Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine «unglaubliche Vergötzung der Uniform» an den Tag gelegt habe, so Köhler.
Kaum hatte sich der einfache Mann als Offizier verkleidet, konnte er Soldaten überzeugen, mit ihm den Bürgermeister zu verhaften und die Stadtkasse Cöpenicks zu beschlagnahmen. Das zeige «die militaristische Geistesverfassung und autoritäre Struktur» der damaligen Gesellschaft.
... über die Hitlertagebücher ...
1983 dagegen sei eine gute Zeit gewesen, um fingierte Hitler-Tagebücher zu veröffentlichen. Der «Stern» fiel gemäss Köhler – der Autor arbeitet übrigens auch als Journalist – nicht nur aus Sensationslüsternheit auf diese Schriften herein, sondern auch, weil sie gerne geglaubt wurden.
Die Tagebücher erweckten den Eindruck eines teils ahnungslosen Adolf Hitler (freilich zu Unrecht). So befriedigten sie das Bedürfnis nach nationaler Vergangenheitsbewältigung, ist Köhler überzeugt. Denn wenn schon Adolf Hitler nicht alles von den Nazi-Verbrechen gewusst haben sollte, so erst recht nicht das gemeine Volk, lautete die irrige Interpretation.
Beiträge zum Thema
... bis hin zu den Millionendeals von Volker Eckel
Heutzutage, glaubt Köhler, müsse eine Fälschung «als wesentliche Voraussetzung» auf die Habgier abzielen. Millionenschwere Projekte klängen nicht nur attraktiv, sondern auch glaubwürdig, weil sie den Zeitgeist träfen. So zumindest erklärt sich der Autor etwa den Wirbel um Volker Eckel.
Der Deutsche stellte sich ab 2008 in der Schweiz als reicher Prinz aus Arabien und unehelicher Sohn Saddam Husseins vor – und fand Gutgläubige, obwohl er weder dem Tyrannen ähnelte noch anderes sprach als Schwäbisch. «Sobald Geld im Spiel ist, verdreht es halt einem den Kopf», schmunzelt Köhler. So geschehen bei Thurgauer Behörden und dem renommierten Fussballverein GC Zürich – zumindest vorübergehend.
Dies alles bereitet also Spass? Der Experte beschwichtigt: Fälschungen seien natürlich nur erlaubt, wenn sie niemandem schadeten, unter dieser Voraussetzung aber umso lohnenswerter, um ausprobiert zu werden. Das befriedige den Narzissmus. Wem das zu weit geht, sei gesagt: Peter Köhler ist auch Satiriker.