New York, 1941: Jerome David Salinger ist erst 22 Jahre alt. Er ist ein ehrgeiziger, junger Schriftsteller, der sich mit Texten im «New Yorker» bereits einen Namen gemacht hat, als er sich Hals über Kopf in die 16-jährige Oona O’Neill verliebt.
Die Tochter des Literaturnobelpreisträgers Eugene O’Neill war ihm im «Stork» aufgefallen, einem der In-Lokale der New Yorker Schickimicki-Szene. Zusammen mit zwei reichen Freundinnen macht sie dort den Männern schöne Augen, trinkt und flirtet, flaniert der 5th Avenue entlang und gewinnt sogar die Wahl zum Glamourgirl des Jahres.
Sie liebten sich wie Hund und Katz
Frédéric Beigbeder, der französische Bestsellerautor, berichtet in seiner Doppelbiografie «Oona & Salinger» von dieser Liebe, die nur einen Sommer lang währte. Eigentlich passten die beiden überhaupt nicht zusammen. Salinger ärgerte sich grenzenlos über ihre Sorglosigkeit – immerhin war in Europa die Hölle los. Sie wehrte sich schlagfertig gegen seine Vorwürfe: «Ich lasse mir doch von Adolf Hitler nicht meine Jugend verderben.»
Die beiden waren wie Hund und Katz – und doch konnten sie nicht voneinander lassen. Oona fand in Salinger den fürsorglichen Freund, der ihr den abwesenden Vater ersetzte. Salinger bewunderte ihre aparte Schönheit und freute sich an ihrer Intelligenz.
Dann kam Charlie Chaplin
Wie nahe sie sich tatsächlich gekommen sind, lässt auch Beigbeder offen. Klar ist, dass sich ihre Wege zum Ende des Sommers 1941 trennten: Oona ging nach Hollywood, um Schauspielerin zu werden. Salinger zog nach Europa in den Krieg. Und ebenso klar ist, dass sie ihn nachhaltig geprägt hat: Er wird sich ein Leben lang jüngeren Frauen zugezogen fühlen. Und auch in seinen Texten stets die unkonventionelle, kompromisslose Perspektive der jungen Leute darstellen.
Die Nachricht, dass Oona in Hollywood den 34 Jahre älteren Charlie Chaplin geheiratet hat, erreicht Salinger an der Kriegsfront. Noch Jahre später wird er kein gutes Haar an Chaplin lassen.
Der erste literarische Popstar
1951 erscheint «Der Fänger im Roggen» und macht J.D. Salinger weltberühmt: Er war der erste, der dieser verunsicherten US-Nachkriegsgeneration eine Stimme gab und deren Rat- und Orientierungslosigkeit auf den Punkt brachte. Und er ebnete damit den Weg für Jugendidole wie Elvis Presley oder James Dean, die ebenfalls gegen das konservative Denken und die Besitzgier der älteren Generation rebellierten.
J.D. Salinger hatte seinen Durchbruch in genau jener Zeit, als in den USA auch das Fernsehen gross wurde. Täglich flimmerte das Bild des aufmüpfigen Schriftstellers über den Bildschirm und sorgte dafür, dass er sich kaum noch in der Öffentlichkeit bewegen konnte, ohne von Fans vereinnahmt zu werden. Er war zweifellos der erste literarische Popstar in den USA.
Kein Wunder zog er sich 1953 – auf dem Höhepunkt seiner Karriere – radikal aus dem Rampenlicht zurück, floh in ein einsames Bauernhaus in der Provinz und kehrte niemals wieder in die Öffentlichkeit zurück. Journalisten und Fans verweigerte er den Zutritt. Ab 1965 erschienen auch keine Texte mehr.
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Texte bis heute unter Verschluss
Das Gerücht hält sich aber hartnäckig, dass er bis zu seinem Tod 2010 eifrig weitergeschrieben habe. Die Nachwelt wird aber davon nie etwas zu Lesen bekommen. In seinem Testament hatte Salinger nämlich verfügt, dass seine Texte unter Verschluss bleiben sollen. Und an diesen Wunsch hat sich seine Familie bis heute gehalten.