Nordkorea und ein drohender Atomschlag – ein Thema, das die Schlagzeilen der letzten Tage prägte. Passend dazu fällt die Wahl der Pulitzer-Jury aus: Mit dem begehrten Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde Adam Johnsons Roman «Das geraubte Leben des Waisen Jun Do».
Adam Johnson (45), Literaturprofessor in Stanford, ist in den USA ein bekannter Autor, der schon mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden ist: Bereits 2002 wurde er von Amazon zum Debüt-Autor des Jahres ernannt, zuletzt gewann er den Gina Berriault Literary Award. Sein Buch mit dem Originaltitel «The Orphan Master's Son» steht schon seit längerem auf der «New York Times»-Bestseller-Liste – es ist sein einziges Buch, das auf Deutsch erhältlich ist.
Mischung aus Spionage- und Liebesroman
Johnsons deutsche Übersetzerin Anke Caroline Burger ist nicht erstaunt über die Wahl der Pulitzer-Jury. «Adam Johnson schafft es wirklich, uns den Zugang zu diesem sehr verschlossenen und sehr mysteriösen Land zu erschliessen», erklärt sie im Gespräch mit SRF. Johnsons Roman – eine fast 700 Seiten dicke Mischung aus Spionage- und Liebesroman – wurde von Literaturkritikern gefeiert. Für die «New York Times» ist Johnsons Werk ein «kühner und bemerkenswerter» Roman.
Der US-Autor beschreibt die Geschichte von einem «geraubten Leben», vom Leben eines Kindes, das in einem Waisenhaus in Nordkorea aufwächst. Es ist die nordkoreanische Diktatur, die ihm dieses Leben raubt. Das Waisenhaus, in dem Jun Do aufwächst, heisst «Frohe Zukunft» – und das in einem Land, in dem das Regime in jeder Wohnung Lautsprecher installiert hat.
Alltag in Nordkorea
Diese Lautsprecher sind es auch, mit denen Johnson gemäss Anke Burger das Leben in Nordkorea am besten veranschaulicht: «Sie sind fest eingebaut in die Wände und haben keinen Schalter zum Ausschalten. Solange es Strom gibt, ist auch dieser Lautsprecher an und aus diesem Lautsprecher kommt den ganzen Tag lang Propaganda der Regierung. Und diese Propaganda bestimmt das Denken und Leben der Menschen natürlich ganz stark.»
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Recherche vor Ort
Johnsons Recherchen zum Buch basieren einerseits auf Interviews mit Menschen, die der nordkoreanischen Diktatur entkommen konnten. Andererseits auf seinen persönlichen Eindrücken, die er sich auf einer Reise im Land holte – unter strengster Aufsicht der nordkoreanischen Regierung. Gespräche mit Einheimischen waren nicht möglich, da es den Nordkoreanern verboten ist, mit Ausländern zu sprechen.
Aber Johnson beobachtete genau. Er wollte auf der Reise zum Beispiel herausfinden, ob es Abfalleimer gibt auf den Strassen, ob die Strassen geteert oder gepflastert sind, welche Schuhe die Menschen tragen – wichtige Details, die seinem Roman Farbe geben. Über Politik, Militär und Wirtschaft Nordkoreas sei schon viel geschrieben worden, ihn habe immer auch der menschliche Aspekt dabei interessiert, sagte Johnson: «Ehrlich gesagt hatte ich das Gefühl, Nordkoreas tatsächliche Schwärze noch etwas verharmlosen zu müssen.»
Leser wird in die Geschichte «hineingezogen»
Der Roman selbst ist aus amerikanischer Sichtweise geschrieben, die Charaktere sprechen oft wie US-Amerikaner miteinander. Gemäss Burger nutzt Johnson dieses Stilmittel, um den westlichen Leser in die Geschichte hineinzuziehen, Identifikation zu schaffen: «Sobald der Leser aber beginnt, sich heimisch zu fühlen, steigt Johnson hinab in die fürchterlichsten Abgründe des Gulags, der Vernichtungslager und Folterkeller Nordkoreas .»