Das bisweilen dreckige Geschäft der Politik hat es dem ehemaligen Politjournalisten und heutigen Bestsellerautor Robert Harris offenkundig angetan.
In seinem in den letzten Jahren auf Deutsch erschienenen Opus Magnum, der Cicero-Trilogie, schildert er am Beispiel der römischen Republik in epischer Breite das manchmal ethisch fragwürdige Spiel von Politikern, die weniger das Gemeinwohl denn die eigene Karriere im Auge haben.
Kardinäle statt Politiker
Demselben Thema – wenn auch unter anderen Vorzeichen – widmet sich Harris nun auch in seinem neusten Thriller «Konklave».
Dieses Mal bilden nicht römische Senatoren, sondern Kardinäle das Personal. Auch sie schrecken vor keiner Gemeinheit und keinem noch so fiesen Trick zurück, um die persönliche Macht zu mehren.
Der Papst ist tot
Worum geht es? Der Papst ist tot. Es wird nicht genau gesagt welcher. Vermutlich ist es der derzeitige Amtsinhaber Franziskus. Ein neuer Pontifex muss her. Hinter den hohen Mauern des Vatikans tritt das Konklave zusammen, die Versammlung der Kardinäle.
Unter der Leitung eines gewissen Kardinals Lomeli – er ist die Hauptfigur – absolvieren die über hundert Würdenträger der katholischen Weltkirche in der Sixtinischen Kapelle Wahlgang um Wahlgang.
Für keinen der Kandidaten findet sich jedoch eine Mehrheit. Immer und immer wieder steigt schwarzer Rauch aus dem Kamin.
Aussen Demut, innen Krieg
Das Konklave erweist sich als zutiefst zerrissen – es besteht aus Reformern, Konservativen, Homophoben und Anhängern der Frauenordination.
Die Spitzenkandidaten stellen nach Aussen Demut und Gottesfurcht zur Schau. In Tat und Wahrheit jedoch treiben sie im Hintergrund alle auf ihre Weise ein dreckiges Spiel.
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Gewohnt skandalös
Sie spinnen Intrigen, frönen der Bestechung und provozieren heimtückisch Skandale, um die Konkurrenz vor dem Wahlgremium ins schiefe Licht zu rücken: Es geht um dubiose Finanzgeschäfte, um Korruption, um Sex mit Minderjährigen.
So empörend das Beschriebene auch ist, so wenig vermag es beim Lesen zu packen. Zu sehr hat man sich wohl in den letzten, von Kirchenskandalen geprägten Jahren daran gewöhnt, dass selbst höchste geistliche Würdenträger moralisch nicht immer vor irdischen Niederungen gefeit sind.
Eingepfercht im Konklave
Überzeugender sind Harris' Schilderungen des Atmosphärischen, das dem für Normalsterbliche nicht zugänglichen Konklave anhaftet: etwa die Enge der vatikanischen Unterkünfte, in welche die Kardinäle aus aller Welt eingepfercht sind, oder das Gefühl der Beklemmung in dieser körperfeindlichen Männerwelt, in der Frauen grundsätzlich als Bedrohung gelten.
Fein gezeichnet ist auch die Figur des Kardinals Lomeli. Er ist bereits ein älteres Semester und wird von Zweifeln am Glauben, am Leben und an der Kurie gequält. Er droht an der ihm übertragenen Bürde zu zerbrechen, das Konklave zu einer Entscheidung zu führen und die von einer Spaltung bedrohte Kirche zu einen.
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Eine Prise Terrorismus
Das Tempo des Romans ist eher gemächlich. Einzelne längliche Reflexionen der Figur Lomeli hätte man sich dann auch getrost schenken können.
Gegen Ende nimmt der Roman dann noch etwas Fahrt auf. Zum einen steigern sich die Spannungen innerhalb des Konklaves zunehmend.
Und zum anderen dringt in Form des islamistischen Terrorismus plötzlich auch noch die bittere Realität der Aussenwelt brutal in den von der Welt entrückten vatikanischen Mikrokosmos ein.
Nicht vorhersehbares Ende
Diese Referenz an das aktuelle Zeitgeschehen ist allerdings wenig überzeugend gestaltet. Zum Schluss mündet der Roman dann aber doch noch in eine nicht vorhersehbare Pointe. Immerhin.
Wie steht es nun um diesen neuen Harris? Fans werden mit Sicherheit auch diesen Roman verschlingen und einige einigermassen spannende Stunden mit ihm verbringen.
Und alle anderen? Sie sind mit Robert Harris' Klassikern wie «Vaterland» oder «Enigma» weit besser bedient.
Sendung: Radio SRF 1, 2.11.2016, 14:15 Uhr.