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Markennamen in der Literatur Leif Randt erkundet unsere Gefühlswelt zwischen Medien und Marken

Man könne seine Literatur als Kritik an der Konsumgesellschaft verstehen, sagt der deutsche Bestsellerautor. In einer «Welt aus Kaufentscheidungen» gehöre es aber dazu, das auch literarisch zu thematisieren. Der Umgang mit Brands sei für seine Figuren Alltag – wie auch für ihn.

Marian Flanders, der Protagonist von Leif Randts aktuellem Roman «Let's Talk About Feelings», führt die Modeboutique «Kenting Beach» in Berlin. Marian ist umgeben von Marken und Preisen: Laufend sieht er sich neue Kollektionen von Designerinnen wie «Monica Spicer» oder Labels wie «CG+» an.

Ein Schwall von Marken- und Produktnamen

Aus einer Laune heraus entscheidet er, neben Originalen eine Zeit lang auch billige, chinesische Imitate von einer Plattform namens «Pandabuy» zu verkaufen. Prompt meldet sich (via Direktnachricht auf Instagram, Marians iPhone pingt), der Chefdesigner eines der imitierten Labels und bittet ihn, damit aufzuhören.

Mann mit beiger Mütze, vor ihm Buch und Mikrofon
Legende: Der Schriftsteller Leif Randt spricht beim Internationalen Literaturfestival Berlin über seinen neuen Roman «Let's Talk About Feelings». (12.09.2025) KEYSTONE/DPA/Christoph Soeder

Im Kino sieht Marian sich einen Film an über zwei Menschen, die von Fashion-Outlet zu Fashion-Outlet durch Europa reisen und überall etwas kaufen. Der Titel des Films lautet «Foxtown» – der Name des ältesten Fashion-Outlet-Centers der Schweiz in Mendrisio, das dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert.

Meine Welt ist voller Kaufentscheidungen und Werbung – vom Supermarkt bis zum Handyvertrag.
Autor: Leif Randt Autor

Die vielen Marken, der Konsum und die sozialen Medien sind aber nicht Kern der Handlung in Leif Randts Roman, sondern eher die Umgebung, in der Marian Flanders' «Coming of Middle-Age» stattfindet. Dass die Konsum- und Mediengewohnheiten von Romanfiguren so oft und so explizit betont werden, ist in der Literatur eher selten. Am ehesten ist dieses Verfahren aus der «Popliteratur» bekannt, die vor allem in den 90er- und frühen 00er-Jahren als provokant und modern galt, weil sie der Konsumgesellschaft den Spiegel vorhielt.

Für Leif Randt selbst haben die vielen Marken- und Produktnamen in seinem Buch aber gar nichts Provokantes: «Ich verstehe nicht, in was für einer Realität Leute leben, die keine Sensibilität haben für die Konsumgüter, die sie täglich benutzen.» Für ihn sei Konsum schlicht Alltag, und darum gehöre er auch in der Literatur abgebildet.

Es gibt zu wenig Bewusstsein dafür, wie massiv die technologischen Veränderungen der Zeit unsere Gefühlswelt beeinflussen.
Autor: Leif Randt Autor

Vielleicht könne das sogar zu einem stärkeren Bewusstsein dafür führen, wie omnipräsent Konsum in unserem täglichen Leben geworden sei. «Meine Welt ist voller Kaufentscheidungen und Werbung – vom Supermarkt bis zum Handyvertrag. Man kann sich entweder entscheiden, diese Welt als schnöde abzutun, oder man kann sich damit konfrontieren und sie beim Schreiben auch freudvoll nutzen», findet der erfolgreiche Autor.

Dazu gehört für Randt auch die Rolle der sozialen Medien, die er als «kollektives Trauma» beschreibt: «Es gibt zu wenig Bewusstsein dafür, wie massiv diese technologischen Veränderungen auch unsere Gefühlswelt beeinflussen.» Der Titel seines aktuellen Romans («Let's Talk About Feelings») lässt sich als Anspielung in diese Richtung verstehen.

Vom Drehbuchschreiben inspiriert

Die Themen Konsum und Medien treiben Leif Randt schon seit seinem ersten Roman «Leuchtspielhaus» um. Anhand der Figuren am konkretesten fassbar sind sie seit Randts Bestseller «Allegro Pastell» geworden, der 2026 auch als Verfilmung in die Kinos kommen wird.

«Ich habe beim Drehbuchschreiben entdeckt, dass es mir grossen Spass macht, stärker von den Figuren aus zu denken, als ich das bisher oft gemacht habe», sagt der Autor. Darum sei der aktuelle Roman figurengetrieben. Er freue sich auch bereits aufs nächste Projekt, das vielleicht sogar ein neues Filmdrehbuch ohne literarische Vorlage werden könnte.

Kurzkritik und Buchhinweis: «Let's Talk About Feelings»

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Marian Flanders, ein Berliner Fashion-Händler Anfang 40, hat es jahrzehntelang perfektioniert, ein freundlicher Beobachter von aussen zu sein – allen anderen, aber auch sich selbst gegenüber. Als Sohn eines erfolgreichen Models und eines Fernsehmoderators ist ihm der Fokus auf alles Äusserliche quasi in die Wiege gelegt worden – und auch Tiktok und Instagram spielen eine nicht unwesentliche Rolle dabei. Grosse Gefühle hat er sich jahrzehntelang abtrainiert: Marians dominierendes Lebensgefühl ist «okay». Erst als er sich in eine Filmregisseurin verliebt, die seinen Laden als Kundin besucht, stellt er ganz erstaunt fest, dass es vielleicht doch noch etwas zu fühlen gäbe im Leben.

Wo andere eine klassische Midlife-Crisis hätten, lässt Leif Randt Marian ein «Coming of Middle-Age» erleben – tatsächlich vergleichbar mit einer zweiten Teenage-Phase, inklusive Unsicherheiten darüber, ob spätnachts noch Whatsapp-Nachrichten verschickt werden sollten.

Sprachlich toll auf den abgedämpften Protagonisten abgestimmt, stellenweise sehr lustig und durchaus hoffnungsvoll, holt Leif Randt mit diesem Buch aus einem bewusst eher langweiligen Setting viel heraus. Dass er die Geschichte im Berlin einer nahen Zukunft spielen lässt, in der politisch die Zeichen etwas anders stehen als in der Realität, verleiht dem Roman zusätzlichen, gesellschaftsanalytischen Gehalt.


Leif Randt: «Let's Talk About Feelings». KiWi, 2025.

Radio SRF 2 Kultur, Literaturclub: Zwei mit Buch, 5.10.2025, 11:03 Uhr

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