70 Jahre hat Klaus Schädelins Lausbuben-Klassiker jetzt auf dem berühmten Buckel – man merkt es ihm keine Sekunde an. Filmregisseur Michael Steiner machte aus dem «Bubenbuch» vor 20 Jahren einen Kinohit. Was sieht er heute in diesem Roman, der den Schabernack feiert wie kaum ein zweiter? Ein Gespräch über den Charme des Schelmischen – und das Eugen-Gen.
SRF: «Mein Name ist Eugen» liegt bei Ihnen bestimmt seit 40 Jahren auf dem Nachttischchen.
Michael Steiner: Da lag das Buch schon in den 1980er-Jahren keine zwei Tage. «Eugen» gehört zu den Büchern, die ich verschlungen habe. Für mich ist es das beste Schweizer Jugendbuch – zusammen mit den «Schwarzen Brüdern».
Ihre Lieblingsepisode aus Klaus Schädelins zeitloser Ode an das Lausbuben-Dasein?
Im Buch ist es die Szene, in der Eugen auf der Fahrt nach Zürich das Kugellager aus der Kette springt. Aus meinem Film ist es die direkt anschliessende Szene: die vier Buben, die ein Huhn, das eines dieser Kügelchen gefressen hat, vom Kirchturm holen wollen. Das war vielleicht der lustigste Drehtag meines Filmemacherlebens.
Wofür steht dieser Kinderbuch-Klassiker in den verschmitzten Steiner-Augen?
Für Freiheit. «Mein Name ist Eugen» liegt ein fast anarchistischer Gedanke zugrunde. Diese vier Jungs rennen durch die ganze Schweiz, völlig losgelöst von Kontrolle. Sie dürfen einfach Kinder sein.
Wie viel Eugen steckte eigentlich im jungen Michael Steiner?
Ich bin relativ früh in die Subkultur des Post-Punk abgedriftet und war sicher nicht so der superangepasste Typ. Aber man geht im Leben die gesellschaftlichen Konventionen ein, die man eingehen muss. Auch das zeigt uns «Eugen», zumindest am Anfang und am Schluss. Dazwischen herrscht dieses wunderbare Gefühl von Freiheit.
Rebellion ist das Privileg der Jugend – und sie drückt sich auf ganz verschiedene Weise aus.
Zu Reibung gehört Reifung, auch das steht in Buch und Film hübsch zwischen den Zeilen. Was muss denn gegeben sein, damit dieses Wechselspiel positiv erlebt wird – vielleicht sogar kreativ?
Rebellion ist das Privileg der Jugend – und sie drückt sich auf ganz verschiedene Weise aus. Gegeben sein muss eine Obrigkeit, gegen die man opponieren kann. Die gibt es immer. Ob aus dieser Reibung etwas Gutes entsteht, lehrt uns leider immer erst die Geschichte.
Vier Jungs, die nur Unsinn im Sinn haben: «Mein Name ist Eugen» ist betont ein Bubenbuch. Was löst dieser Umstand heute bei Ihnen aus – Stichwort Gendern?
Mädchen kommen schon auch vor. Sie werden gefesselt! (lacht) Das Gendern war für uns vor 20 Jahren kein Thema. Ich glaube, was man aus Buch und Film mitnehmen kann, ist diese schweizerische Eigenheit, dass niemand im Stich gelassen wird, wenn es hart auf hart kommt.
Ist «Mein Name ist Eugen» auch ein Plädoyer für die gerne Jungs zugeschriebene Renitenz und Querulanz, die etwa im Schulalltag keinen Platz hat – obwohl darin doch auch eine enorme kreative Energie liegt?
Kinder sind sich der Konsequenzen ihres Handelns oft nicht bewusst. Genau darin liegt aber die Schönheit der Kindheit: dieses kurzfristige Denken, das Nichtwissen um alle möglichen Folgen. Deshalb wollen wir als Kinder ja nicht erwachsen werden. Es ist nun mal viel lustiger.
Sie sind so etwas wie der gross gewordene «Lausbub des Schweizer Kinoschaffens». Wie haben Sie es geschafft, sich das Eugen-Gen zu bewahren?
Lausbub bleibt man, indem man nur äusserlich altert – innerlich muss man frei und flexibel bleiben.
Und das gelingt Ihnen?
Das äusserliche Altern ist überhaupt kein Problem. Das mit dem innerlichen ist manchmal noch ein Kampf. Das wäre doch so ein Eugen-Spruch?
Das Gespräch führte Stefan Gubser.