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Merchandise in der Literatur Käppis und Shirts für Leseratten: Wer trägt das und warum?

Merchandise kennt man vor allem in der Musik. Doch auch T-Shirts mit Buchzitaten, Caps mit eingestickten Romantiteln und Finken mit Verlagslogo sind immer beliebter – und machen das Lesen zum Lifestyle.

Als Bestseller-Autorin Sally Rooney 2024 ihren Roman «Intermezzo» veröffentlichte, war das passende Merchandise längst lanciert: T-Shirts, Pins, Bandanas und Stoffbeutel.

Mit solchen Artikeln drücken Fans ihre Verbundenheit mit der Autorin aus. Sie präsentieren die Fanartikel bei Lesungen und in den sozialen Medien – und vermarkten das Buch gleich mit.

Den Trend kann man auch im deutschsprachigen Raum beobachten. Erfolgsautorinnen wie Sibylle Berg verkaufen T-Shirts, auf denen die Titel ihrer Romane abgedruckt sind. Selbst Jungautoren und Debütantinnen schleppen an ihre Lesungen Hoodies und Käppis in den Farben des jeweiligen Buchcovers.

Sechs Mützen und fünf Paar Socken mit Buchthemen an gepunkteter Wand.
Legende: Ob «Romance Reader» oder «Book Babe»: Caps, Socken, T-Shirts und Jutebeutel, die ihre Trägerinnen und Träger als Bücherwürmer labeln, sind im Trend. Buchhandlung Forum Liestal

Oft verschicken Verlage die Artikel gratis an Literaturkritikerinnen und Influencer, um ein Buch ins Gespräch zu bringen. Es geht um Sichtbarkeit, eine relevante Einnahmequelle ist Merchandise in der Literaturbranche nur selten – Fan-Artikel von Literaturstars wie Sally Rooney mal ausgenommen.

Elitäre Badeschlappen

In der Kinder- und Unterhaltungsliteratur sind Fanartikel längst etabliert: von der «Harry Potter»-Bettwäsche bis zum «Pettersson und Findus»-Regenschirm. Zur sogenannten Hochkultur schienen solche Artikel aber lange nicht zu passen: zu popkulturell, zu plakativ, zu kommerziell.

Doch auch renommierte und als intellektuell geltende Verlage versuchen inzwischen, mit Merchandise Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Zum Beispiel Suhrkamp: Zu einem Longseller entwickelten sich die mitternachtsblauen Käppis des Verlags, bestickt mit den Buchstaben «stw» – der Abkürzung der Buchreihe «Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft». Wer es trägt, markiert sich als hip und akademisch gebildet.

Schwarze Mütze und grüne Badesandalen vor rosa Hintergrund.
Legende: Ob «stw» oder «KiWi» – das Merchandise kommt in knalligen Farben und im modernen Design daher. suhrkamp

Den Trend griffen auch andere Verlage wie «Kiepenheuer und Witsch» auf. Als eine Art intellektueller Marketing-Gag verloste «KiWi» giftgrüne Badeschlappen mit dem Verlagslogo.

Was genau ist Merchandise?

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Unter Merchandise versteht man Produkte, die eine Marke stärken und verkaufsfördernd wirken sollen. Später wurde der Begriff auch für Fanartikel übernommen. Vor allem bei Sportvereinen, Stars und Bands ist Merchandise etabliert. Die Grenzen zwischen Werbe- und Fanartikel sind beim Merchandise fliessend.

Auch Unternehmen und Organisationen setzen auf Merchandise, um das Markenbewusstsein zu steigern: Hüte, Trinkbecher und Schlüsselanhänger gibt es von politischen Parteien, von Restaurants oder den SBB.

Mit Merchandise scheinen Verlage dem Lesen ein cooleres Image zu verpassen und ein junges Publikum für sich gewinnen zu wollen. Welche Verlage hinter den «stw»-Käppis oder «KiWi»-Badeschlappen stecken, erkennen nur Eingeweihte: ein Insider-Gag.

«read more books»

Niederschwelliger sind Artikel, die das Lesen selbst promoten. Zum Beispiel Käppis mit der Aufschrift «read more books»: Merchandise, den die Berlinerin Coco Meurer designt und vermarktet.

Auf Instagram nennt sie sich «Literaturensohn», so heisst auch ihre Buchhandlung. Käppis mit dieser Aufschrift vertreibt sie im Online-Shop; ebenso wie T-Shirts, Taschen und Kapuzenpullis mit Slogans wie «read queer books» oder «I should have stayed home and read».

Die Slogans sollen in erster Linie Spass machen, sagt Meurer. Mit ihren Accessoires macht sie das Lesen zum Lifestyle. Das funktioniert umso besser, weil bunte Caps und T-Shirts in Übergrösse sowieso gerade in Mode sind.

Person am Strand in lila Hoodie mit gelbem Text.
Legende: Klare Botschaft in Giftgelb und Grossbuchstaben: Der Hoodie propagiert, dass das Lesen daheim einem Strandausflug vorzuziehen sei. Instagram/coco meurer alias «literaturensohn»

Mit den Käppis und Pullis können Menschen der Welt zeigen, dass Lesen Teil ihrer Identität ist. Was noch lange nicht heisst, dass Menschen, die Literatur-Merchandise tragen, auch regelmässig zum Buch greifen.

Ein T-Shirt mit einem Porträt von Rainer Maria Rilke kann auch dann gefallen, wenn man keine Ahnung hat von seinen Gedichten. Vielleicht wecken die modischen Accessoires ja die Leselust. Wenn nicht, sehen sie wenigstens gut aus.

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