Frühling 1991. Der knapp 80-jährige Max Frisch liegt mit Darmkrebs auf dem Sterbebett, dem «Endbett», wie er es nennt. Umsorgt wird er von der Pflegerin Maja Huber, mit der er sich auffällig gut versteht.
Frisch plant seine Beerdigung – und hat einen zweiten, geheimen Plan: Er will Maja Huber heiraten. Nur sein enger Freund Peter Bichsel ist eingeweiht. Aus der Hochzeit wird nichts. Frisch stirbt am 4. April 1991.
Frauen waren zentral
Vermutlich sei dieser Heiratsplan kaum mehr ein als ein Spleen gewesen, schreibt Julian Schütt in «Max Frisch – Biographie einer Instanz». Das Buch ist der zweite und abschliessende Band der ersten umfassenden Lebensbeschreibung des Schweizer Weltautors Max Frisch.
Ob Spleen oder nicht – die Episode kurz vor dem Tod zeigt, dass Frisch die Frauen bis zum Schluss nie aus dem Kopf gingen. Zweimal war er verheiratet: in jungen Jahren mit Trudy von Meyenburg, später mit Marianne Oellers. Zwischen und nach den Ehen unterhielt er eine ganze Reihe von weiteren Beziehungen.
Dieser beachtlichen Frauengalerie spürt Julian Schütt nach. Dabei wird klar: Frisch war kein Schürzenjäger. Vielmehr neigte er dazu, seine Partnerinnen zu idealisieren. Er suchte den lebendigen Austausch. Wenn dieser erlahmte, erlahmte auch das Interesse.
Gleichzeitig pflegte sich Frisch selbst notorisch zu hinterfragen. Er mochte sich nicht. Er hielt sein Gesicht im Spiegel nicht aus. Frauen boten ihm einen Ausweg aus der Selbstzerfleischung, liessen ihn persönlich reifen und beflügelten sein literarisches Schaffen.
Ambivalente Gefühle
Allen voran Ingeborg Bachmann, mit der Frisch von 1958 bis 1963 liiert war, überaus kompliziert. Tiefe Liebe und Sehnsucht nach Zweisamkeit wechselten sich ab mit dem Wunsch nach Autonomie und Trennungen bis hin zum finalen Bruch.
Die für beide niederschmetternde Erfahrung floss direkt in Frischs Erfolgsroman «Mein Name sei Gantenbein» ein: Eine kaputte Ehe bietet den Anlass, um über Identitäten, Rollen und biografische Alternativen zu fabulieren.
Zentrale Impulse verdankte Frisch auch Madeleine Seigner, seiner Partnerin vor Ingeborg Bachmann. Seigner brachte, wie Schütt zeigt, Frisch erstmals direkt mit Fragen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in Berührung. Das Thema sollte Frisch für den Rest seines Lebens literarisch umtreiben.
Neuer Boden
Ein eigentlicher «Glücksfall» war für Frisch seine zweite Ehefrau Marianne Oellers, mit der er nach der traumatischen Trennung von Ingeborg Bachmann zusammenkam. Die belesene Lektorin und Literaturübersetzerin Oellers verhalf Frisch menschlich wie künstlerisch zu neuem Auftrieb.
Sie versorgte Frisch mit Lektüretipps ein und befruchtete dadurch dessen Schreiben massgeblich. Zudem war Oellers im Literaturbetrieb bestens vernetzt und brachte ihren Gatten mit literarischer Prominenz aus dem In- und Ausland zusammen – von Hannah Arendt bis Adolf Muschg und Peter Bichsel.
Die gründlich recherchierte und glänzend geschriebene Biografie zeigt: Im Leben von Max Frisch waren Frauen und Kunst, Privates und Literatur in einem Mass ineinander verschlungen, das bisher nicht bekannt war. Es waren nicht zuletzt die Frauen, die Max Frisch zu einem der grössten Autoren der Schweiz werden liessen. Dies zu erfahren, war längst überfällig.