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Neuer Roman von Daniel Wisser «Smart City»: Was passiert, wenn Tech-Konzerne Städte regieren?

Daniel Wisser spielt in seinem neuen Roman «Smart City» durch, was passiert, wenn Neokonservative ihre autoritären Pläne wirklich umsetzen.

«Smart Cities» gibt es tatsächlich. In Europa sind es erst mal nur einzelne Quartiere in einzelnen Städten, die man als «smart» bezeichnen kann. Dort geht es vor allem um Nachhaltigkeit und ein bequemeres Leben.

In Daniel Wissers «Smart City» hingegen geht es darum, was passiert, wenn aktuell diskutierte Themen wie Migration und Sicherheit im Sinne jener Kräfte verwirklicht werden, die im heutigen politischen Spektrum ganz rechts aussen stehen. Dazu orientiert sich Daniel Wisser an «Smart Cities» in Asien: speziell in Gegenden, deren politische Situation nicht wirklich als demokratisch bezeichnet werden kann.

Daniel Wissers Modellstadt heisst «NEUDA» und liegt östlich von Wien an der Grenze zu Slowenien. Dort gibt es keine Autos und keine fossilen Brennstoffe, stattdessen fahren Elektro-Caddys durch die Stadt. Deren Benutzung ist gratis. Es gibt keinen Müll und keinen Lärm, kein Verbrechen und keine Migration.

Fussgängerbrücke aus Holz führt zu moderner Stadt (Hochhäuser im Hintergrund, etwas Grün)
Legende: Für die literarische Erschaffung seiner «Super City» hat sich Daniel Wisser von Städten in Asien inspirieren lassen. Auf dem Bild: die technologisch fortschrittliche, nachhaltige «Smart City» Songdo in Südkorea. IMAGO/Wirestock

Wissers Geschichte beginnt damit, dass die Journalistin Morag Oliphant nach NEUDA zieht. Sie stammt aus Grossbritannien, was ihren schottischen Namen erklärt. Viele Jahre hat sie in Wien gelebt, bis sie dort ein schrecklicher Schicksalsschlag getroffen hat: Ihr Mann und ihre Tochter sind in der eigenen Wohnung erschlagen worden. Sie selbst hat überlebt und kommt jetzt nach NEUDA, weil NEUDA Sicherheit verspricht.

Tech-Firma kontrolliert Stadt

Als Journalistin findet sie rasch heraus, dass die Versprechen, mit denen die Stadt um neue Einwohner wirbt, nicht gehalten werden. Es gibt Müll in NEUDA. Genauso wie Energie aus fragwürdigen Quellen. Es gibt ausländische Arbeitskräfte und damit auch Migration. Und es gibt das Verbrechen. Ein Demonstrant wird an einer Kundgebung von Sicherheitsleuten getötet. Und auch eine Spur des Mordes an Morags Familie führt nach NEUDA.

Vor allem aber gibt es immer weniger Demokratie. Das ist der zentrale Punkt: NEUDA ist keine normale Stadt mit demokratischen Strukturen, sondern das Projekt eines Tech-Konzerns namens Tucana. Die Sicherheit unterliegt nicht der Polizei, sondern einer Security-Firma, die wiederum eine Tochterfirma der Tucana ist. Es findet eine lückenlose Überwachung sämtlicher Bürger durch Kameras, Apps und Smartwatches statt – und damit eine alles umfassende Kontrolle.

In NEUDA scheint das nur wenige zu kümmern. Die Lethargie wird damit begründet, dass ja alles funktioniere, bequem und sicher sei. Genau da setzt Daniel Wisser an: Er möchte heute darauf aufmerksam machen, in was für einer Welt wir morgen aufwachen könnten.

Ein Hoffnungsschimmer

Dennoch ist dieses Buch keine Dystopie im Orwell’schen Sinne, sondern das Experimentierfeld eines Autors, der weniger die finstere Zukunft im Auge hat, als die heutigen Möglichkeiten, sie zu verhindern. Beispielsweise durch Wahlen, die es in NEUDA tatsächlich noch gibt.

Und genauso wie in Österreich, wo zur Jahrtausendwende die einst so mächtige Sozialdemokratie in dem Moment abgewählt wurde, als sie ihre zentrale Forderung nach allgemeinem Wohlstand in die Tat umgesetzt hatte, könnte es irgendwann auch einmal sein, dass die Orbans, Ficos, Trumps und Kickls auf gleiche Weise verschwinden. Nämlich dann, wenn ihre Ziele tatsächlich Realität werden. Das ist der kleine Hoffnungsschimmer, den uns Daniel Wisser bietet inmitten einer immer totalitärer werdenden Welt. Jedenfalls in seiner höchst lesenswerten «Smart City».

Buchhinweis

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Daniel Wisser: «Smart City». Luchterhand, 2025.

Radio SRF 2 Kultur, Literaturclub: Zwei mit Buch, 7.12.2025, 11:03 Uhr

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