Wohin ein Buch einen gedanklich bringen wird, weiss man anfangs meistens nicht. Die Hosts des neuen Literaturpodcasts machen zwei Dinge leidenschaftlich gern: Lesen – und darüber reden. Das machen die zwei Duos Nicola Steiner/Franziska Hirsbrunner und Felix Münger/Simon Leuthold ab jetzt alle zwei Wochen mit einem aktuellen Buch und der Welt, die sich dahinter verbirgt.
Felix Münger: Hab ich dich das eigentlich schon mal gefragt. Warum liest du, Simon?
Simon Leuthold: Es ist etwas vom Schönsten überhaupt. Den Buchdeckel aufzuklappen, in neue Welten einzutauchen. Rauszufinden, welche Figuren darin leben, wie ihre Welten funktionieren – und dabei auch zu realisieren, was das alles mit unserer eigenen Welt zu tun hat! Das stellen Bücher häufig mit mir an.
Felix Münger: Gibt es ein Buch, welches das kürzlich besonders mit dir angestellt hat?
Simon Leuthold: «Herkunft» von Saša Stanišić. Eine sehr berührende Lektüre über ein Kind, welches aus Bosnien nach Deutschland flüchtet, neue Wurzeln schlägt und sein Konzept von ‘Heimat’ erkundet.
Felix Münger: Die eigenen Ahnen zu erforschen scheint literarisch ja im Trend zu sein. Ich habe in letzter Zeit ein paar Romane dazu gelesen, die mich übrigens dazu gebracht haben meinen eigenen Stammbaum zu erforschen und aufzuzeichnen. Lesen animiert also nicht selten auch dazu aktiv zu werden.
Simon Leuthold: Du bist jetzt also im Stammbaumalter! Scherz beiseite, du bist als Historiker ja grundsätzlich interessiert an vergangenen Welten. Welche literarische vergangene Welt hat dich am meisten reingezogen?
Felix Münger: Ganz klar. «Anna Karenina» von Leo Tolstoi. Das ist seit sehr langer Zeit mein Lieblingsbuch. 1000 Seiten dick, fürchterlich tragisch, aber ein selten präziser Einblick in die patriarchische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.
Nicola Steiner: Literatur leistet ja Enormes. Lesen bedeutet für mich fast immer Perspektivenwechsel. Und dass ich 1000 Leben leben kann und trotzdem nur meinen eigenen Tod sterben muss.
Franziska Hirsbrunner: Für mich bedeutet Lesen in aller Regel Glück.
Nicola Steiner: Stimmt. Oft muss man aber auch arbeiten für sein Glück. Lesen ist ja auch anstrengend! Aber das gehört dazu.
Franziska Hirsbrunner: Und es kann sich anfühlen, wie eine Weltreise zu unternehmen, ein gutes Gespräch zu führen, eine neue Freundschaft zu finden oder sich zu verlieben. In dem Sinn: Mit welchem Buch bist du eigentlich in einer langjährigen Beziehung?
Nicola Steiner: Mit «Der Raum der Erinnerung» von Marcel Cohen – für mich eines der eindrücklichsten Bücher überhaupt. Es handelt von einem Kind, welches sah, wie seine Eltern von den Nazis deportiert wurden und steht dafür, wie Literatur mithilft, dass gewisse Dinge nie vergessen werden dürfen. Das Buch hatte ich über dich entdeckt. Danke noch dafür!
Nicola Steiner: Und welches Buch müsste man deiner Meinung nach unbedingt gelesen haben?
Franziska Hirsbrunner: Ebenfalls eine schwierige Kindheitserinnerung: «Also dann bis Morgen» von William Maxwell. Es ist unglaublich dicht erzählt und ganz dünn, wie ein gefülltes Praliné. Und es kann so genau und klug von Trauer erzählen, dass man es einfach lesen muss.
Ein Podcast über Bücher und die Welten, die sie uns eröffnen.
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