Zum Inhalt springen

Header

Audio
Stuckrad-Barres neuer Roman «Noch wach?»
Aus Kultur-Aktualität vom 20.04.2023. Bild: Keystone/DPA/Hannes P Albert
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 52 Sekunden.
Inhalt

Neues Buch «Noch wach?» Darum steht Stuckrad-Barres #MeToo-Roman in der Kritik

Benjamin von Stuckrad-Barre rechnet in seinem Roman «Noch wach?» mit dem Machtmissbrauch beim Axel-Springer-Verlag ab. Erst gab es viel Applaus, inzwischen auch heftige Kritik.

Worum geht es im Roman? Der Erzähler in «Noch wach?» begegnet in Los Angeles einer Frau, die vom Hollywood-Filmproduzenten Harvey Weinstein sexuell belästigt worden ist. Nach Berlin zurückgekehrt, wenden sich immer mehr Frauen an ihn, die ein ähnliches Schicksal teilen.

Die Erzählfigur, deren Vita deutliche Parallelen zu Benjamin von Stuckrad-Barres echtem Leben aufweist, wechselt die Seiten. Ehemals war er ein Mitarbeiter eines grossen Medienhauses und Freund des Verlegers – nun kämpft er mehr und mehr aufseiten der Missbrauchsopfer.

Was ist der Hintergrund? Im März 2021 berichtete das Magazin «Der Spiegel» von einer internen Untersuchung gegen den damaligen «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt. Es ging um Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen im Umgang mit jungen Mitarbeiterinnen.

Reichelt wies die Vorwürfe zurück, verlor aber seinen Posten als Chefredaktor. Nach der Entlassung Reichelts erstarkte die #MeToo-Debatte in Deutschland.

Wer ist Benjamin von Stuckrad-Barre? Der Bestsellerautor wurde mit seinem Debütroman «Soloalbum» international bekannt. Er gilt als Reizfigur, Feuilletonliebling und Wunderkind der Popliteratur.

Von 2008 bis 2018 war Stuckrad-Barre für die Axel-Springer-AG tätig. Im März 2021 soll er sich bei der Konzernleitung über das Fehlverhalten des damaligen «Bild»-Chefredaktors beschwert haben.

Warum gibt es Kritik am neuen Roman? Mehrere Feuilletonistinnen werfen Stuckrad-Barre vor, als Mitwisser und ehemaliger Profiteur des Systems zu Unrecht die Rolle als Aufklärer eingenommen zu haben.

Literaturkritikerin Miriam Zeh schreibt auf Twitter, der Roman verpasse die Chance, Machtmissbrauch strukturell zu diskutieren. Sie stört sich vor allem daran, dass Stuckrad-Barres Erzählerfigur im Vergleich zu den Geschichten der betroffenen Frauen zu viel Platz einnimmt.

Die Journalistin Teresa Bücker schreibt in ihrem Blog «Zwischenzeit_en», Stuckrad-Barre habe lange davon gewusst, dass unrechte Dinge geschehen seien. Trotzdem habe er geschwiegen. Dafür werde er nicht beschämt, sondern nun auf Lesungen gefeiert sowie mit Aufmerksamkeit, Unterstützung und Geld belohnt. Derweil gebe die Gesellschaft den Opfern von Missbrauch eine Mitschuld und stigmatisiere sie.

Es sei das Mindeste, auszusprechen, dass Machtmissbrauch existiert und Leid verursacht, so Teresa Bücker. Applaus für das Mindeste zu bekommen, das cis Männer tun können, sei nicht nur Patriarchat pur, sondern auch öde.

Welche Reaktionen gibt es auf die Kritik? Die Journalistin Aline von Drateln widerspricht den Vorwürfen. Sie schreibt auf Twitter: Struktureller Machtmissbrauch gehe alle etwas an. Darum könne es auch keine «popkulturelle MeToo-Aneignung» geben. In ihrer «Tagesspiegel»-Kolumne bezeichnet sie die Kritik an Benjamin von Stuckrad-Barre als «gefährlich».

Mit der gleichen Herleitung werde auch betroffenen Frauen eine Mitschuld am System «Vögeln, fördern, feuern» gegeben. Genau wie Stuckrad-Barre hätten auch die Frauen zunächst die Vorteile ihrer Arbeit beim Springer-Verlag genossen.

Stuckrad-Barre selbst betont, es handle sich um einen Roman. Das Buch sei vom realen Fall inspiriert, handle aber nicht davon.

Wöchentlich frischer Lesestoff im Literatur-Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Der Literatur-Newsletter bietet die perfekte Inspiration für das nächste Buch. Ausserdem wird jede Woche eine Schweizer Schriftstellerin oder ein Schweizer Schriftsteller in den Fokus gerückt. Newsletter jetzt abonnieren.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 20.04.2023, 17:40 Uhr

Meistgelesene Artikel