Zum Inhalt springen

Nominiert für den Buchpreis Autorin Veronika Sutter schaut bei häuslicher Gewalt genau hin

In ihrem Debüt «Grösser als du» schreibt Veronika Sutter Geschichten über Gewalt an Frauen. Mit ihren Erzählungen ist sie für den Schweizer Buchpreis nominiert.

Ein lila Meer aus T-Shirts und Transparenten, ein überwältigendes Gefühl von Solidarität und Gemeinschaft: Viele haben den feministischen Streik im Juni 2019 als Wendepunkt erlebt. Für Veronika Sutter war er Anlass, ein Buch zu schreiben.

Sutter hatte den ersten Streik 1991 mitorganisiert. «Als klar war, dass es einen zweiten grossen Streik geben wird, hat das bei mir eine Reflexion ausgelöst», sagt die Autorin.  Was hat sich  getan in den vergangenen 28 Jahren? Was gibt es noch zu tun?

Demonstration mit zahlreichen Frauen in violetten Kleidern.
Legende: Der Frauenstreik 2019 war für Veronika Sutter Anlass zur Reflexion, die zu «Grösser als du» führte. Keystone / ALEXANDRA WEY

Geschichten über Gewalt

Die beiden Streiks bilden die erzählerische Klammer in ihrem Debüt «Grösser als du». Dazwischen erzählt Sutter 16 kurze Geschichten, die von einem roten Faden verbunden werden: Gewalt.

Gloria etwa  beschliesst 1991, ihren prügelnden Mann zu verlassen, der sich dann ausgerechnet am zweiten Streiktag 2019 wieder meldet, nachdem er einen Femizid begangen hat. Lisa wird von ihrem Chef gestalkt. Annie kann erst in hohem Alter über Gewalt und Schmerz sprechen.

In all diesen Geschichten geht es um Machtansprüche, Manipulation, Abhängigkeit und Hilflosigkeit. Mit soziologischer Präzision und nüchterner Sprache beschreibt Sutter strukturelle Gewalt.

Buchhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Veronika Sutter: «Grösser als du. Geschichten.» Edition 8, 2021.

«Grösser als du» ist ein Panoptikum gefährlicher Beziehungsmuster. «Ich wollte mit diesen Geschichten Dynamiken aufzeigen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind», sagt Sutter.

Opfer und Täter benennen

Das wirkt teilweise stilisiert und holzschnittartig. Doch Sutter weiss, wovon sie spricht: Sie engagiert sich seit Jahren gegen Gewalt an Frauen und sitzt im Vorstand der Stiftung Frauenhaus. «Häusliche Gewalt ist in den meisten Fällen Männergewalt», sagt Sutter. Das müsse benannt werden.

Gemäss Bundesamt für Statistik sind Opfer von häuslicher Gewalt in fast drei Viertel der Fälle Frauen. Fast ebenso oft sind die Beschuldigten Männer. Seit Jahresbeginn gab es in der Schweiz laut dem Recherchenetzwerk «Stop Femizid» mindestens 25 Femizide.

Auch Männer leiden unter Stereotypen

Ausschliesslich die Männer für die Situation verantwortlich zu machen, wäre Sutter aber zu einfach: «Häusliche Gewalt hat in den seltensten Fällen nur individuelle Gründe. Sie ist Ausdruck der Stereotype, unter denen wir alle immer noch leiden.»

Darum sei der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dass sie mit ihrem ersten Buch für den Schweizer Buchpreis nominiert ist, sei eine grosse Überraschung, sagt Sutter. Und eine Freude.

Sie hofft, dass die Nominierung dem Thema zu grösserer Aufmerksamkeit verhelfe:  «Es wäre schön, wenn es zur Reflexion anregen würde, auch des eigenen Verhaltens.»

Mögliche Wege zu einer Veränderung beschreibt  Sutter in «Grösser als du»: Freundschaft zum Beispiel. Hinschauen und Zuhören. Und das Schweigen brechen.

Anlaufstellen für Betroffene

Box aufklappen Box zuklappen

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 20.10.2021, 17:20 Uhr.

Meistgelesene Artikel