Comics sind Bildgeschichten: Bild um Bild wird eine Geschichte erzählt, durch Ausschnitte, durch Sprechblasen, durch den Erzähler – aber vor allem durch die Figuren. Superman fliegt durch die Luft, Hulk verwandelt sich ein grünes Monster, Jimmy Corrigan beobachtet, Tim ermittelt.
Stan Lee, Erfinder von Spiderman, X-Men und Co., stellt sich im Vorwort zu einem Captain America-Sammelband die Frage, was Captain America eigentlich zu Captain America macht. Die Antwort gibt er gleich selbst: «Das Zauberwort, mein Freund, heisst Action!».
Gespenstische Szenen
Genau dieser Punkt interessiert den Grafiker Noël Leu. Er nimmt sich Comics vor, und retuschiert alle Figuren, alle Action und alle Sprechblasen heraus. Seite für Seite, Bild für Bild paust er – per Hand oder digital – die Zeichnungen ab. Dort, wo Figuren oder Sprechblasen den Hintergrund verdecken, ergänzt er ihn und zeichnet die Linien nach. Abschliessend koloriert er die Bilder neu, mit überdrehten, grellen Farben, um den Verfremdungseffekt zu verstärken.
Zurück bleiben nur die Hintergründe. Es sind gespenstische Szenerien: Leere Zimmer, leere Tempel, leere Raumschiffe. Die wirken, als seien sie gerade erst verlassen worden. Bühnen, auf denen nichts aufgeführt wird, Filmkulissen, in denen nicht gedreht wird. Denn Comicbilder haben stets einen Fokus, auf ein Geschehen, eine Handlung, ein Gesicht. In Noël Leus Bildern fehlen sie: Hier wird das Abwesende fokussiert.
Ein Bühnenbild für ein Hörspiel
Das Hörspiel «Professor Zickendraht und der Äther des Bösen» wird live an den Solothurner Literaturtagen produziert: Vor einem Publikum vor Ort treten die Sprecher und Musiker auf, es wird live gemischt und gesendet. Die Idee entstand, ein Bühnenbild zu entwickeln. Für die Zuschauer im Saal, und die Hörer zuhause, am Radio oder im Internet.
Die Regisseure Wolfram Höll und Johannes Mayr haben dafür Comicszenen zusammengesucht: aus ganz verschiedenen Bänden, aber passend zu den jeweiligen Szenen des Hörspiels. Noël Leu hat sie geleert, nun werden sie in Solothurn projiziert. Um zu illustrieren, ohne zu illustrieren – als Bühnenbild für das Kopftheater.