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Solothurner Literaturtage Eindrückliche junge Schweizer und eine Brandrede für Demokratie

Die 41. Solothurner Literaturtage sind zu Ende. Unsere Redaktorin zieht Bilanz: Beeindruckt haben mutige Bücher – und eine Brandrede.

Zum Schluss zog dann noch der Sommer ein. Entsprechend entspannt und locker war die Stimmung an den 41. Solothurner Literaturtagen, die gestern Abend zu Ende gingen.

Alte Bekannte und neue Formate

Drei Tage lang hatte sich in Solothurn alles um Bücher und Begegnungen gedreht. Nach ersten Hochrechnungen konnten die Organisatoren 17'800 Besucher verzeichnen. Das sind ähnlich viele wie im Vorjahr.

Das Programm überraschte mit neuen Formaten: Es gab neben Lesungen und Podiumsgesprächen auch Veranstaltungen unter freiem Himmel, Branchen- und Bargespräche – insgesamt über 200 Veranstaltungen.

Autor Ferdinand von Schirach bei einer Lesung am Pult.
Legende: Eine der beliebtesten Lesungen – mit überraschendem Appell: Ferdinand von Schirach in Solothurn. © Sabrina Christ und Samuel Mühleisen

Publikumsmagnet waren die Lesungen von Ferdinand von Schirach, Ruth Schweikert und Julia von Lucadou. Aber auch die Lyrik-Lesungen hatten einen enormen Zulauf: Die Veranstaltung von Ernst Halter und Sascha Garzetti waren äusserst gut besucht. Auffallend viele junge Menschen sassen dort im Publikum.

Beeindruckende Brandrede

Ein Höhepunkt im diesjährigen Programm war der Abend mit Ferdinand von Schirach. Seine Lesung im vollen Landhaussaal war geistreich, witzig, tiefgründig. Ferdinand von Schirach zeigte sich als humorvoller Entertainer und glänzender Redner.

Nach der Lesung aus seinem autofiktionalen Erzählband «Kaffee und Zigaretten» hielt Schirach überraschend eine eindrückliche Brandrede für Europa, für Demokratie, Diversität und Freiheit. Das sei die Utopie, die endlich Wirklichkeit werden müsse.

Einziger Wermutstropfen des Abends: Die Fans warteten am Signiertisch vergeblich auf den Autor. Ferdinand von Schirach verschwand scheinbar gleich nach der Lesung nach Zürich.

Blick in die Konsumtempel

Unter den vielen Debüts gab es eindrückliche junge Schweizer Stimmen zu entdecken, unter anderen Donat Blum, Sabine Gisin und Tabea Steiner. Eine Stimme ist besonders herausgestochen: die in Lausanne beheimatete Rinny Gremaud mit «Un monde en toc».

Die Autorin geht in ihrem Buch auf eine Reise zu den grössten Einkaufszentren der Welt. Fasziniert und zugleich ironisch blickt sie auf diese Konsumtempel. Für dieses Debüt erhielt sie den renommierten Westschweizer Prix Michel-Dentan.

Düster, weiblich, provokant

Drei grosse Themen dominierten das diesjährige Programm: Dystopie, Liebe und Gender. Themen, die während allen drei Tagen immer wieder aufblitzten. An Podiumsdiskussionen, in Gesprächen und zuletzt an der Verleihung des mit 15'000 Franken dotierten Solothurner Literaturpreises.

Karen Duve hat ihn erhalten. Eine Autorin, die kritisch, streitbar und humorvoll ist. Die in ihrem Schreiben radikal Grenzen sprengt und aufs Ganze geht. Beispielsweise in ihrem Roman «Macht»: Dort zeichnet sie eine Welt im Jahr 2031, in der Staatsfeminismus herrscht und Männer Frauen hassen, weil sie selbst an Macht und Bedeutung eingebüsst haben.

Auch am Eröffnungsabend wurde in Sachen Gleichberechtigung ein Zeichen gesetzt: Es waren ausschliesslich Frauen auf der Bühne. Die amerikanische Schriftstellerin Nell Zink hat mit einer ironisch-provokativen Rede das Publikum irritiert, amüsiert und angeregt.

Guter Jahrgang

In den Medien und auf Social Media herrschte Aufruhr darüber, dass gewisse populäre Autorinnen und Autoren nicht nach Solothurn eingeladen worden waren. Wo blieben etwa Joël Dicker, Sibylle Berg, Corinna T. Sievers?

Aber auch ohne diese Namen im Programm: Die 41. Solothurner Literaturtage waren ein durchwegs guter Jahrgang.

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