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SRF-Bestenliste Die besten Bücher im Mai

Sturz in die Fluten, Überlebenskampf in der Schweiz und Liebe ohne Happy End: Die literarischen Highlights des Monats.

5. Martin Suter: «Melody» (22 Punkte)

weisses Buchcover auf violettem Hintergrund: Cover zeigt ein Frauenbild, Frau mit dunklen, hochgesteckten Haaren
Legende: Martin Suter: «Melody». 336 Seiten, Diogenes 2023. Diogenes

Melody heisst die schöne Frau mit dem langen schwarzen Haar, die als Ölgemälde in der Eingangshalle von Dr. Stotz' Villa hängt. Ihr spurloses Verschwinden am Hochzeitstag überschattet Dr. Stotz ein Leben lang. Mit 84 Jahren erzählt der ehemalige Nationalrat und einflussreiche Geldgeber dem neuen Nachlassverwalter Tom von seiner grossen Liebe: Melody war sein erster Gedanke am Morgen, sein letzter am Abend und fast sein einziger dazwischen.

Welche Gründe treiben Dr. Stotz an, diese Frau derart zu vergöttern? Steckt dahinter Imagepflege, sich als grosser, unglücklicher Liebender gesellschaftlich in Szene zu setzen?

Martin Suter ist ein unterhaltsamer Roman mit viel Suspense gelungen, der zugleich die Schweizer Wirtschaftselite aufs Korn nimmt.

Im ersten Leseanlauf ist man etwas versucht, «Melody» als «Altherrenwerk» abzutun. Da ist man bei Martin Suter allerdings an der falschen Adresse. Irrungen und Wirrungen nehmen im Lauf der Geschichte an Fahrt auf und führen zu einem köstlichen Lesevergnügen.
Autor: Christian Meyer Buchhändler Buchhandlung Klosterplatz Olten

4. Sarah Jollien-Fardel: «Lieblingstochter» (22 Punkte)

Buchcover auf violettem Hintergrund, Cover zeigt Ausschnitte Mädchen- und Löwenfoto
Legende: Sarah Jollien-Fardel: «Lieblingstochter». Aus dem Französischen von Theresa Benkert. 221 Seiten, Aufbau 2023. Aufbau

Ein Dorf im Wallis. Ein Familienvater, der seine Frau und die beiden Töchter schlägt, die ältere sexuell missbraucht. Die Frauen wehren sich nicht. Das Dorf weiss, was vor sich geht – und schweigt. Aus diesem Trauma versucht die jüngere Tochter Jeanne immer wieder einen Weg zu finden.

In kurzen, rhythmischen Staccato-Sätzen mit grossem Einfühlungsvermögen wird hier das Innenleben einer Figur nach aussen gekehrt. Und aufgezeigt, mit welchen Ohnmachtsgefühlen, Ängsten und seelischen Verletzungen Jeanne noch Jahrzehnte nach den Ereignissen zu kämpfen hat.

Der Roman der Walliser Autorin war im letzten Jahr für den Prix Goncourt nominiert und erhielt den Prix du Roman Fnac und den Choix Goncourt de la Suisse 2022.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so perfekten Erstlingsroman gelesen zu haben. Konzentriert, dicht und sprachlich sehr sorgfältig.
Autor: Carol Forster Buchhändlerin Bücherladen Appenzell

3. Helga Schubert: «Der heutige Tag» (23 Punkte)

Buchcover auf violettem Hintergrund. Buch zeigt blau rote Längsstreifen, davor gemalte Vase und Teller
Legende: Helga Schubert: «Der heutige Tag». 272 Seiten, dtv 2023. dtv

Die deutsche Autorin Helga Schubert ist 83, ihr Mann 96 Jahre alt – und pflegebedürftig. Schubert kümmert sich zu Hause um ihn, rund um die Uhr. In «Der heutige Tag» beschreibt Helga Schubert ihren kräftezehrenden Alltag. Gleichzeitig findet sie berührende Worte für die Liebe zu ihrem Mann.

Das Buch ist ein poetisches Abschiednehmen. Anrührend, aber an keiner Stelle kitschig.

Das Grossartige an ihren Texten ist, dass sie niemandem mehr etwas beweisen muss. Helga Schubert kann einfach schreiben.
Autor: Katja Schönherr Literaturredaktorin SRF

2. Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord» (29 Punkte)

Buchcover auf violettem Hintergrund. weisses Buch mit blauem Bild von Meer mit Boot am Horizont
Legende: Herbert Clyde Lewis: «Gentleman über Bord». Aus dem Amerikanischen von Klaus Bonn. 176 Seiten, mare 2023. mar

Ein Börsenmakler in der Krise unternimmt Ende der 1930er-Jahre auf einem Frachtschiff eine Reise im Pazifik. Durch ein Missgeschick rutscht er frühmorgens auf einem Ölfleck aus und fällt über Bord. Das Meer zeigt sich sanft an diesem Tag. So ist der Gentleman überzeugt, dass ihn das Schiff, das sich immer weiter entfernt, sogleich retten wird – zu Recht?

In eleganter Sprache formt Herbert Clyde Lewis eine tragisch-komische Gesellschaftsparabel. Er erzählt von den Zuständen und Entwicklungen, die der Gentleman im Ozean durchläuft. Und vom Reim, den sich die anderen Passagiere auf sein Verschwinden machen.

Das Buch erschien im Original 1937. Jetzt ist das zeitlose kleine Meisterwerk endlich auf Deutsch erschienen.

Ein ergreifender, aufwühlender und zutiefst menschlicher Roman, der den Protagonisten wie die Leserschaft an existenzielle Grenzbereiche heranführt – und darüber hinaus.
Autor: Marianne Wille Literaturvermittlerin «literaturlabor.com»

1. Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot» (40 Punkte)

weisses Buchcover auf violettem Hintergrund. Buch zeigt Foto von junger frau, Hand vor Sonne schützend vor gesicht
Legende: Lukas Bärfuss: «Die Krume Brot». 224 Seiten, Rowohlt 2023. Rowohlt

Armut kann Leben zerstören – auch in der reichen Schweiz. Davon erzählt der Roman «Die Krume Brot» von Lukas Bärfuss. Im Zentrum steht eine junge Frau mit italienischen Wurzeln im Zürich der 1960er- und 1970er-Jahre. Sprachlich subtil und mit ergreifender Empathie schildert der Roman, wie ihr Leben aufgrund materieller Not zur Hölle wird: Die Frau rackert sich in der Fabrik ab, aber der Lohn reicht nirgendwo hin, um sich und die Tochter durchzubringen.

Im Roman stellt Lukas Bärfuss die Grundfrage: Woran liegt es, wenn Lebenswege scheitern? An den Umständen? Oder auch am eigenen Unvermögen?

Atemlos folgt man dem Kampf der Romanheldin Adelina. Lukas Bärfuss fasst ihr Gehetztsein und Aufbegehren in präzise, schnelle Sätze, die eine ungeheure Sogwirkung entfalten.
Autor: Martina Läubli Kulturredaktorin «NZZ am Sonntag»

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SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 26.04.2023, 17:10 Uhr. ; 

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