«Seit einigen Jahren verkaufen wir bei uns in der Buchhandlung Obergass wieder mehr Bücher», sagt Daniela Binder, die Geschäftsleiterin der Buchhandlung des Jahres 2025. Und zwar sei an dieser Entwicklung das junge Publikum unter 20 Jahren massgeblich beteiligt: «Sie kommen vorbei, wenn schulfrei ist. Zum Beispiel am Mittwochnachmittag oder auch samstags – und ich staune manchmal, wie viel Geld sie bei uns ausgeben.»
Um das zu verstehen, hilft ein Blick darauf, was für Bücher jüngere Kundinnen und Kunden mehrheitlich kaufen. Vornehmlich sind das Bücher aus den Genres New Romance, New Adult oder Romantasy: inhaltlich meist einfach gestrickte Liebes- und Beziehungsgeschichten, die ganz klaren Mustern folgen. Diese Bücher finden rasenden Absatz, die Startauflagen liegen teilweise bei über 100'000 Exemplaren.
Viel gestalterischer Aufwand
Auffällig ist vor allem die Gestaltung dieser Bücher. Verlage fahren da das grosse Instrumentarium der klassischen Bibliophilie auf: aufwendig gestaltete Umschläge (gern in Pastellfarben) mit Prägungen oder Goldfolien-Einlagen, kunstvoll bedruckte Seitenanschnitte, Schuber. Das Buch als physisches Objekt scheint eine Art Revival zu erfahren.
Eine zentrale Rolle dürften dabei soziale Medien wie Tiktok oder Instagram spielen, in denen beispielsweise New-Romance-Bücher tausendfach in Posts verhandelt werden. Die Userinnen (meist weiblich und zwischen 16 und 25 Jahre alt) erzählen in Schnellfeuer-Videos, was am Roman sie zum Weinen gebracht hat. Oder warum sie das Buch am liebsten an die Wand geworfen hätten – während sie das Buch immer in die Kamera halten.
Gern sitzen sie dabei vor dem Bücherregal, in dem selbstverständlich ganz viele weitere, ähnlich gestaltete Titel stolz ausgestellt sind. «Solche Bücher» zu besitzen und zu zeigen, markiert sie als Teil einer Community.
Social Media als Präsentier-Teller
«Die sozialen Medien funktionieren wie ein Präsentier-Teller für diese Bücher», weiss Buchhändlerin Daniela Binder. Klar: Ein Buch, das gut aussieht, lässt sich auch vor der Handykamera besser inszenieren als ein popeliger E-Reader – und damit wird es attraktiver für einen Kauf.
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Bild 1 von 3. Alte Bücher machen was her! Aufwendige Gestaltung macht aber nicht bei klassischen Werken halt. Bildquelle: Getty Images/Jordan Pettitt/PA Images.
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Bild 2 von 3. Auch bei zeitgenössischen Produktionen wird in Bezug auf die Gestaltung an allen (Buch-)Ecken und Enden aufgerüstet …. Bildquelle: Keystone/Christian Beutler.
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Bild 3 von 3. … um im Bücherregal oder auf den sozialen Medien Eindruck zu schinden. Bildquelle: Keystone/Christian Beutler.
Hinzu kommt eine weitere Tiktok-Strömung, die aufs physische Buch als Träger angewiesen ist: #booktabbing. Damit ist das obsessive Annotieren von Büchern gemeint, mit dutzenden Klebezettelchen am Rand.
Die einstige Arbeitspraxis akademischer Leser wird nun bei jungen Leserinnen mitunter zur ästhetischen Strömung. Denn natürlich geht es auch darum, wie das Buch nach dieser Art Bearbeitung aussieht. «Getabbte» Bücher werden manchmal sogar verkehrt herum ins Regal gestellt, damit alle sehen, wie fleissig gearbeitet wurde.
Die Oberfläche als Chance
Natürlich ist es einfach, das junge Booktok-Publikum für seine scheinbar oberflächliche Haltung Büchern gegenüber zu kritisieren – denn Inhalte sollten doch wichtiger sein als schöne Covers.
Was dabei aber nicht vergessen gehen darf: Laut der aktuellen James-Studie der ZHAW lesen nur zwischen 16 Prozent (Jungen) und 32 Prozent (Mädchen) der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren regelmässig. Strömungen in den sozialen Medien, die die Auseinandersetzung mit Büchern in den Fokus rücken, haben viel Potenzial, diese Zahlen zu verbessern.