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150 Jahre Tonhalle-Orchester Ein Tom Waits aus dem Outback mischt die Tonhalle auf

Das Tonhalle-Orchester Zürich feiert heute seinen 150. Geburtstag. In die Jahre gekommen ist es deswegen aber nicht. Denn immer wieder erfrischt sich das Toporchester mit neuen, inspirierenden Künstlern. Zum Beispiel mit Brett Dean.

Esa-Pekka Salonen war schon da, Jörg Widmann und auch Peter Eötvös – und jetzt ist Brett Dean der aktuelle Inhaber des «creative chair» des Zürcher Tonhalleorchesters. Eine Spielzeit lang tritt er in verschiedenen Funktionen in Erscheinung: als Komponist, Interpret und Dirigent. Genug Gelegenheit, einen Musiker kennenzulernen, der abseits jeden Mainstreams sehr erfolgreich seinen Weg geht.

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Eine Begegnung mit dem Bratscher und Komponisten Brett Dean
aus Musik unserer Zeit vom 14.02.2018. Bild: Priska Ketterer/ Tonhalle-Gesellschaft Zürich
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1961 kommt Brett Dean im australischen Brisbane zu Welt, lernt als Jugendlicher Geige und Bratsche, komponiert, macht Experimente mit elektronischen Sounds. In Sydney lernt er Wolfram Christ kennen, Mitglied der Berliner Philharmoniker.

Zuviel Sicherheit im Traumjob

Er darf ihm in einer Art inoffiziellem Vorspiel zeigen, was er auf der Bratsche kann. Wenig später wird er Bratscher bei den Berliner Philharmonikern.

14 Jahre später aber verlässt er diesen Superposten, nach dem sich andere sämtliche Finger ablecken würden. Er geht mit seiner Frau und den zwei Kindern zurück nach Australien. Warum? Zuviel Sicherheit, sagt er. Er ist zu der Zeit Ende 30 und habe sich ganz genau vorstellen können, wie sein Leben später aussehen würde: Langweilig.

Eine Mischung von Tom Waits und Paul Hindemith

Damals ist er bereits als Komponist aktiv – wohlgemerkt hat er das nie studiert und sich alles autodidaktisch beigebracht – und er setzt alles auf eine Karte. Was die richtige Entscheidung war.

Denn seine Musik, die irgendwie nach Tom Waits und Paul Hindemith gleichermassen klingt, zeigt: Deans Tonlandschaft ist unkonventionell und ziemlich frisch.

Ein Denkmal für Bootsflüchtlinge

Er schreibt musikalische Kommentare zur Umweltzerstörung, setzt den Bootsflüchtlingen ein Denkmal, die 2001 vom norwegischen Frachter Tampa gerettet wurden. Er versucht sich an einer psychologischen Biografie mit den Mitteln der Musik, etwa wenn er das Schicksal des Renaissancekomponisten und Doppelmörders Carlo Gesualdo kommentiert, paraphrasiert, dekonstruiert.

Brett Deans Musik hat immer einen Bezug, ästhetisch gebrochen und sublimiert natürlich, aber der Bezug zu einer Aussenseite ist da. Dean will immer Geschichten erzählen, Geschichten mit oft ruhelosen Details, befreiendem Bombast, rhythmischem Drive.

Dean schreibt Musik-Geschichten von zerrissener Virtuosität, voller rhythmischer Ecken und Kanten. Die Art von Kreuzung, die vielleicht entstanden wäre, wenn Paul Hindemith in einer Band mit Tom Waits gespielt hätte.

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