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50 Jahre Kraftwerk: Der Soundtrack zum Futur II
Aus Kontext vom 27.07.2020. Bild: Keystone / STEFFEN SCHMIDT
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50 Jahre Kraftwerk Die Teilchenbeschleuniger des Pop werden 50

Kraftwerk sind Pioniere des Elektropop. Songs wie «Autobahn» prägten Techno und Hip-Hop, bevor es die Genres gab.

Wenn jemand fragt: Warum sagen alle, Kraftwerk habe die Musik erfunden, zu der heute in den Clubs dieser Welt gefeiert wird? – Dann will man eigentlich nur provokativ «Darum!» antworten.

Denn keine Band aus Deutschland wird so oft als Inspirationsquelle angegeben, wird so oft gesampelt und gecovert wie Kraftwerk.

Kraftwerk’sche DNA

Giorgio Moroder hört Kraftwerk in den 1970er-Jahren. In der Zeit, als er Donna Summer produziert. David Bowie benennt den Song «V-2 Schneider» nach dem Kraftwerk-Gründer Florian Schneider-Esleben.

Die minimalistischen Arrangements und tanzbaren Beats der Kraftwerker prägen auch die US-amerikanische Electro-Funk-Szene und später die Detroit-Techno-Szene.

Wer hat Kraftwerk gecovert?

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Sie sind bis heute stilprägend: Gemäss der Website «who samples» gibt es von Kraftwerk-Songs insgesamt 790 Samples, 201 Covers und 61 Remixes.

Als der New Yorker Afrika Bambaataa 1982 «Trans Europa Express» für «Planet Rock» sampelt, ist das der Urknall moderner DJ-Musik. Fast alles, was in folgenden Jahrzehnten an neuen Genres der Popmusik entsteht – Hip-Hop, Electro, House, Techno, Dubstep – ist ohne Kraftwerk so nicht denkbar.

Video
50 Jahre «Kraftwerk»
Aus Kultur Webvideos vom 29.07.2020.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 34 Sekunden.

Madonnas «Music» erinnert unüberhörbar an «Trans Europa Express», «Talk» von Coldplay ist wie ein zweites «Computerliebe». Und dass Kraftwerk auch in den unmöglichsten Kombinationen funktioniert, zeigt Señor Coconut mit seiner Latin-Version von «Die Roboter» oder das Balanescu Quartet, das «Das Modell» sogar für klassisches Streichquartett arrangierte.

Elektronische Musik als Befreiung

In den 1950er-Jahren wurden elektronische Klänge noch fast ausschliesslich in einem akademischen Umfeld produziert. Kraftwerk hat die tendenziell elitären Produktionsbedingungen zu Popmusik umgedeutet und die elektronische Musik demokratisiert: Jede und jeder kann heute Beats basteln.

Wie hat alles begonnen mit Kraftwerk?

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs eine ganze Generation von deutschen Musikern heran, die mit Entsetzen in die Vergangenheit und mit Skepsis auf die Gegenwart blickten. Es brauchte eine Gegenbewegung und einen neuen Sound.

Kraftwerk künden ihn an, als sie 1970 die Bühne betreten. Die Gründer Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben schlagen alsbald einen radikal neuen Weg ein, verwenden ausschliesslich elektronische Klänge, Synthesizer und Rhythmusmaschinen.

Heute steht Kraftwerk für die ständige Weiterentwicklung einer berauschenden elektronischen Soundästhetik mit Wiedererkennungswert und irritierend minimalistischen Texten. Sie stehen für Visualisierungen in Farbe und 3-D und eine überraschende Portion Melancholie - ganz im Kontrast zum Bandimage der kühlen, emotionslosen Roboter- und Maschinenmenschen.

Für viele sind Kraftwerk bis heute ein Vorbild. Auch für den Produzenten und DJ David Daniel aka Dada Global aus Zürich. Er wollte eigentlich klassischer Musiker werden. Seit er fünf ist, spielt Dada Klavier und Cello, später studiert er am Konservatorium in Zürich. Und ist mit 18 völlig ausgebrannt.

Er habe sich gefühlt wie ein dressierter Zirkusaffe, so Dada. Die Befreiung brachte die elektronische Musik: «In meinem Kosmos gab es zuvor nur klassische Musik. Kraftwerk hat mir das Tor zu einer neuen Welt aufgestossen und mein neues Leben ermöglicht», sagt Dada fast ehrfürchtig. 2001 kehrt Dada der klassischen Musik den Rücken und macht fortan elektronische Musik.

Kein Ideenklau

Zu Beginn habe er versucht, wie Kraftwerk zu sein, dann aber schnell gemerkt: «Imitation ist nur gut, um Instrumente und Techniken zu lernen.» Sie zu sampeln, kann sich Dada nicht vorstellen. «Das ist ein Prinzip, ich sample nicht. Das ist eigentlich eine Schweinerei.»

Aber es sei ihm völlig klar, warum viele andere Musiker das machen und warum Kraftwerk so beliebt ist bei anderen Bands. «Man begibt sich damit in eine andere Sphäre, gilt als intellektuell. Es geht um den Wiedererkennungseffekt. Bei Kraftwerk reichen da schon zwei Noten oder ein Takt», so der Zürcher.

Dada macht ganz klar sein eigenes Ding. Wer Tracks wie «Miasma», «Pudeleins» oder «Zizek» hört, denkt wahrscheinlich an alles, nur nicht an Kraftwerk. Doch obwohl seine Musik komplett anders klingt, Kraftwerk schwinge immer mit, sagt Dada.

An den Düsseldorfern gefalle ihm vor allem die konzeptionelle Strenge: «Dieses durchgedachte Konzept, von dem sie keinen Millimeter abweichen. Gleichzeitig sind ihre Melodien sehr simpel und eingängig, aber auch virtuos und verspielt. Diese Einfachheit in der Verspieltheit fasziniert mich.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 28.07.2020, 9:02 Uhr

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