- Das afghanische Frauenorchester spielte am WEF in Davos. In der Heimat der Musiker ist ihre Kunst nicht willkommen
- Musik ist in Afghanistan verpönt. Vor allem Frauen dürfen nicht musizieren. Das Afghanistan National Institute for Music kämpft dagegen an.
- Die 18-jährige Zarifa Adiba ist Dirigentin des Zohra-Orchesters. Ihr Traum ist es, das Urheberrecht für Musikerinnen und Musiker in ihrer Heimat einzuführen.
Was zurzeit am WEF in Davos zu hören ist, ist aussergewöhnlich. 30 junge Afghaninnen des Zohra Frauenorchesters spielen hier.
Dirigentin Zarifa Adiba ist eine von ihnen. Sie gibt nicht nur den Takt an, sie spielt auch Bratsche. «Musik bedeutet Frieden», sagt die 19-Jährige. Auch in Afghanistan musiziert das Frauenorchester. Obwohl dort die Taliban die Musik als Teufelswerk verdammen und verfolgen.
Studentin am richtigen Ort
Zarifa lässt sich dadurch nicht beirren. Nur durch Musik könne sie sich entspannen. Auch zu Hause, wo Gewalt zum Alltag gehört. «Musik bringt mir inneren Frieden und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Afghanistan», sagt die junge Frau.
Als Mädchen wollte sie Popsängerin werden. Doch sie wusste, dass das unmöglich ist. Vor drei Jahren dann hörte sie vom nationalen Musikinstitut in Kabul und wusste: Dort muss ich hin. Heute studiert sie dort.
Musik – nichts für Mädchen?
Zarifas Verwandte wissen nicht, dass sie Musik macht. Das wissen nur ihre Eltern. Denn sie sind bis heute ihre einzigen Unterstützer. «Tu, was dir Freude bereitet», sagten ihre Eltern. Aber wenn das ihre Onkel und alle anderen Verwandten wüssten, sie würden schlecht über Zarifa reden. Denn Musik ist für sie etwas Böses und nichts für Mädchen.
Von Frieden und Sicherheit kann Zarifa nur träumen. Seit bald 40 Jahren herrscht in ihrer Heimat Krieg, Gewalt und Zerstörung. Die Taliban und der IS sind überall.
«Der Krieg und die menschenverachtende Ideologie der Dschihadisten hat die Leute verändert», sagt die selbstbewusste junge Frau. «Sie sind schlecht für Afghanistan.»
Brutale Regeln vs. Liebe zur Musik
Zarifas Eltern und Grosseltern sind unter der Talibanherrschaft aufgewachsen, sie konnten nicht zur Schule und hatten keinen Zugang zu Medizin und Informationen. Sie kannten nur die Taliban mit ihren stumpfsinnigen, brutalen Regeln. «Wie kann ich meinen Verwandten erklären, dass Musik Liebe und Frieden bedeutet?», fragt Zarifa hoffnungslos.
Vor zwei Jahren verletzte ein 17-jähriger Terrorist während einer Aufführung den Leiter der Musikschule. Im letzten August starb ein Mitschüler bei einem Anschlag, auf dem Schulweg. «Das Leben muss weitergehen», sagt Zarifa trotzig und hält ihre Tränen zurück.
Urheberrechte als grösster Traum
Was ist ihr grösster Traum? Zarifa zögert. Sie hat so viele Träume für sich und für Afghanistan. Doch dann erklärt sie, sie wolle Recht studieren, in die Politik gehen. Und dann in Afghanistan endlich das Urheberrecht für Musikerinnen und Musiker einführen. Damit sie endlich auch etwas verdienen können.
Sendung: Radio SRF, Echo der Zeit, 20.01.2017, 18 Uhr