Die Musikerinnen und Musiker des Berner Sinfonieorchesters (BSO) sind symbolisch «zurückgezügelt». Mit Instrumenten und Publikum, quer durch die ganze Stadt – vom Kursaal über die Kornhausbrücke, vorbei am Theater, bis zum Casino.
Ein Haus, das für die Musikerinnen und Musiker eine ganz besondere Bedeutung hat, erklärt Eva Wyss. Sie ist seit 20 Jahren Cellistin des BSO und das Casino ihr Zuhause.
Logistische Herausforderung
Auch der Tubist Daniel Schädeli denkt gerne zurück «an die beiden schönen Jahre im Kursaal voller Flexibilität». Er betont aber auch, dass man viel improvisieren musste: «Wir haben in vielen verschiedenen Sälen in der ganze Stadt gespielt und waren ständig auf Tournee. Das braucht viel Logistik.»
Die letzten beiden Jahre hat das BSO im Kursaal eine vorübergehende Bleibe gefunden. Jetzt sind die aufwändigen Renovierungs- und Umbauarbeiten im und am Casino Bern abgeschlossen. Die Saison 2019/2020 bestreitet das BSO wieder daheim.
Ausnahmezustand – auch bei den Abos
Ob in Zürich , Bern oder Basel : Derzeit sind einige grosse Schweizer Sinfonieorchester «ohne Zuhause». Ihre Konzertsäle werden renoviert und umgebaut – in der Zwischenzeit müssen sie nach alternativen Spielstätten suchen.
Keine feste Spielstätte zu haben – das ist ein Ausnahmezustand für jedes Orchester. Zwar liegt der Kursaal Berner nur eine gute Viertelstunde vom Casino entfernt.
Die festen Abonnements sind trotzdem zurückgegangen. Viele Zuschauer sind auf ein Wahl-Abo umgestiegen oder haben nur für einzelne Konzerte Karten gebucht.
Wohl aus unterschiedlichen Gründen: Die Strukturen haben sich im Kursaal verändert, das BSO musste seine Abokonzerte aufs Wochenende verschieben. Manchem sagte die Akustik im neuen Saal nicht zu, anderen passte das Ambiente nicht.
«Heimatlosigkeit» als Chance
In Zürich und Basel geht es den städtischen Sinfonieorchestern momentan ähnlich. Alle suchen sie nach neuen Wegen, das Publikum weiterhin zu erreichen und ins jeweilige Provisorium mitzunehmen.
Das Sinfonieorchester Basel etwa hat das Programm an seine Ausweich-Spielstätten angepasst. Lädt Biggies ins Musical Theater ein, veranstaltet einen Bruckner-Zyklus im Basler Münster oder spielt Ballettmusik im Theater.
Auch in Bern hat man neue Konzertformate ausprobiert – etwa die «Late Night Concerts» – und so tatsächlich ein neues, auch jüngeres Publikum erreicht.
Das Orchester selbst habe sich weiterentwickelt, sagt Cellistin Eva Wyss: «Es tut immer gut, wenn man aus der Komfortzone geschubst wird. Wir mussten alle mehr Flexibilität zeigen und uns ständig auf neue Situationen einstellen.» Die Musikerin hofft, dass sie das mitnehmen können an den renovierten Standort.
Ein Leckerbissen obendrauf
Die Instrumentenkoffer jedenfalls sind schon fast gepackt, die Fracks und Roben gebügelt, die Vorfreude steigt. Auch beim Publikum.
Das BSO beobachtet eine starke Zunahme der festen Abonnements, viele wechseln von einem Wahl-Abo zurück. Der Zusatzrabatt von 20 Prozent zur Rückkehr, der für die erste Saison gilt, zieht.
Ein weiterer möglicher Publikumsmagnet: Ab Spätsommer 2019 werden unter der Leitung von Ivo Adam Gastronomie-Erlebnisse mit hauseigenen Kulturveranstaltungen kombiniert.