Eine so schillernde Figur findet sich in der Musikgeschichte selten: Chevalier de Saint-George war Spitzengeiger und Starfechter, erfolgreicher Komponist, ein begnadeter Reiter, Tänzer und Eiskunstläufer.
Geboren wurde er 1745 als Joseph Bologne, als Sohn eines französischen Plantagenbesitzers und einer Sklavin senegalesischer Herkunft auf Guadeloupe. Als Kleinkind kam er mit seinen Eltern nach Paris. Hier trat er eine Ausbildung als Fechtmeister an.
Vom Florett zum Bogen
Schnell entwickelte er eine grosse Gewandtheit mit dem Florett. Bereits als Teenager besiegte er die besten Fechter, weshalb er sich Chevalier de Saint-George nennen durfte. Ein Höhepunkt dieser Karriere war ein Schauduell mit der transgender Diplomatin und Spionin le Chevalière d’Éon.
Mit dem Geigenbogen ebenso geschickt wie mit dem Florett, spielte er sich auch in der Musikwelt ganz nach oben: Er wurde zum Leiter des renommierten Ensembles Concert de la Loge olympique und schrieb Violinkonzerte von damals unerhörter Virtuosität.
Manche nannten ihn den «Voltaire der Musik». Andere sprachen später vom «schwarzen Mozart». Trotzdem sind bisher wenige seiner Werke im Druck erschienen.
Ihm war wichtig, dass man die Melodien nachpfeifen kann.
Der Saint-George-Biograf Alain Guédé gehört zu den treibenden Kräften in der Aufarbeitung des Lebens und Werks des Komponisten. Zahlreiche der etwa 300 Autografe haben er und sein Team in Antiquariaten über die ganze Welt verstreut gefunden, unter anderem in Basel.
Ohrwürmer für die Ewigkeit
«Saint-George war wichtig, dass die Melodien eingängig sind und man sie nachpfeifen kann», sagt der Biograf. Saint-George komponierte vieles im gefälligen Galanten Stil, diverse Ohrwurmthemen sowie Stücke, bei denen die spieltechnische Virtuosität im Vordergrund stand. In seinen langsamen Sätzen und in seinen Werken in Moll hingegen eröffnete er eine berührende Gefühlstiefe.
Mit seinen Quartetten, Violinkonzerten und Sinfonie concertanti eroberte er die Herzen des Publikums. Als Opern-Komponist war er weniger erfolgreich. Sechs oder sieben schrieb er – ganz genau weiss man es bis heute nicht. Komplett erhalten ist nur eine.
Opfer einer Intrige
Saint-George sah sich aber auch mit Rassismus konfrontiert. Der Dandy schminkte sich stärker als andere Männer damals. So versuchte er laut Alain Guédé seine dunklere Hautfarbe zu kaschieren. Wegen einer rassistisch motivierten Intrige wurde ihm die Leitung der Pariser Oper verwehrt. Ein schwerer Schlag.
Dank seines reichen Elternhauses und seiner Begabungen verkehrte er dennoch in den höchsten Kreisen. Zeitweise lebte er im freizügigen Pariser Palais Royal unter einem Dach mit Philippe Egalité, Duc d’Orléans und Mitglied der Königsfamilie.
Antirassistischer Revolutionär
Wichtigstes Lebensziel Saint-Georges war jedoch die Abschaffung der Sklaverei und die Gleichstellung von People of Color. Er organisierte und leitete eine Brigade mit ausschliesslich People of Color, und kämpfte mit ihr für die Gleichheitsanliegen der Französischen Revolution. Während der Terrorherrschaft wurde er jedoch verhaftet und sass mehr als ein Jahr im Gefängnis.
Später reiste der Junggeselle Mitte der 1790er-Jahre mit seinem lebenslangen Gefährten, dem Hornisten Lamothe, nach Haiti, um auch dort für Gleichheit zu kämpfen. All das mache ihn zu einer wichtigen Figur in der Geschichte Frankreichs, so sein Biograf Alain Guédé.