1976 in London: Die Journalistin Viven Goldman besucht ein Rockkonzert – und erlebt einen Schockmoment: «Als ich mich der Bühne näherte, dachte ich: Ich fasse es nicht, der Gitarrist ist ja eine Frau! Ich hatte noch nie zuvor eine Frau in einer Band spielen sehen.» Ihr ganzes Weltbild sei ins Wanken geraten. «Mir wurde klar: Ich bin mein ganzes Leben lang betrogen worden», erzählt Goldman rückblickend.
Punk war die Musik der Aussenseiter
In den 1960er- und frühen 1970er-Jahren hätten Frauen nicht den gleichen Zugang zum Musikbetrieb gehabt wie Männer. «Als Frau warst du ein Groupie, aber mehr nicht.» Es fehlte immer, so Goldman, an Vorbildern und Vorreiterinnen, an denen sich Musikerinnen orientieren konnten.
Es gab Ausnahmen, so Goldman. Aber erst im Punk gab es für Frauen mehr Spielraum: «Punk war eine rebellische Musik für und von Aussenseitern. Technische Virtuosität war irrelevant. Frauen konnten hier aussehen und klingen, wie sie wollten.»
Darum sei es auch kein Wunder, dass damals erstmals in der Popgeschichte verstärkt Frauen in Erscheinung getreten seien: «Nicht nur als Sängerinnen, sondern endlich auch als Instrumentalistinnen.»
Vivien Goldman ist damals Anfang 20 und erlebt Punk hautnah. Sie arbeitet als Musikjournalistin in London. Als Sängerin der «Flying Lizards» war sie selbst aktives Mitglied der britischen Post-Punk-Bewegung.
Heute – über 40 Jahre später – lehrt Goldman als «Punk-Professorin» in New York an der Uni. Nun hat sie aufgeschrieben, wie sie selbst und andere She-Punks aus der ganzen Welt die Szene damals erlebt haben und bis heute erleben.
Frauen sind immer noch in der Unterzahl
In ihrem Buch «Die Rache der She-Punks. Eine feministische Musikgeschichte von Poly Styrene bis Pussy Riot» präsentiert Goldman eine Art Stammbaum der Punkmusikerinnen. Sie bemängelt aber auch, dass Frauenbands auf den Konzert- und Festivalbühnen nach wie vor in der Unterzahl sind. «Wir haben doch schon eine Frauenband!» – das sei die Haltung der meisten Booker grosser, prestigeträchtiger Festivals. «Als ob eine Frauenband ein Gimmick wäre.»
Seit den 1970er-Jahren hätte sich zwar vieles verbessert. Doch der Kampf der She-Punks gehe weiter. «Wir brauchen endlich eine systemische Veränderung, damit Frauen auch den Platz in der Musikindustrie bekommen, der ihnen zusteht. Wenn ich mir die neuen Generationen von Punk-Musikerinnen anschaue, bestätigt das nur, dass Punk alles andere als tot ist, weil es immer noch einen Bedarf dafür gibt.»
Der Buchtitel «Die Rache der She-Punks» sei trotzdem augenzwinkernd gemeint, ergänzt die Autorin: «Ich meine damit keine zerstörerische, sondern eine süsse Rache. So nach dem Motto: Ihr habt zwar versucht uns aufzuhalten, aber wir haben es trotzdem geschafft.» Denn verbittert sei Vivien Goldman nicht. Das sei gegen die Regel der She-Punks, «wenn es denn eine solche Regel überhaupt gibt!»