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Im Universum von Erika Stucky
Aus Passage vom 18.09.2020. Bild: Keystone
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Ein Leben in Bildern Musikerin Erika Stucky öffnet für uns ihr Fotoarchiv

Jodel und Jazz, USA und Wallis: Seit Jahrzehnten verbindet Erika Stucky scheinbare Widersprüche. Ein Blick in ihr privates Fotoalbum zeigt: Die Musikerin, die gestern mit dem Grand Prix Musik ausgezeichnet wurde, machte schon immer, was sie wollte.

Angetrieben von Freude und Neugierde, kann Erika Stucky mit Ende 50 auf ein vielfarbiges Schaffen zwischen Folklore, US-Songgut, Jazz und Klassik zurückblicken.

All das hat Platz im Werk der Walliser Künstlerin, die in ihre ersten Lebensjahre in den USA verbracht hat. Ihre Offenheit rührt vielleicht daher, dass sie an verschiedenen Orten der Welt Wurzeln geschlagen hat.

Schon als Kind hat sich Erika Stucky wohlgefühlt zwischen den Welten. Das ermöglicht ihr eine beispiellose Freiheit. Für uns öffnet sie ihr Fotoarchiv.

Die ersten Jahre: Hippies und Heiliger Geist

Erika Stucky verbringt die ersten Lebensjahre im San Francisco der 1960er-Jahre. Sie saugt die Stimmung der Hippies auf, bekommt aber auch den katholischen Hintergrund ihrer Eltern zu spüren.

1971 zieht die Familie in die Heimat des Vaters zurück, ins Wallis. Am Flughafen entsteht dieser Schnappschuss.

Ein kleines Mädchen im orangefarbenen Overall mit Leopardenmantel schaut in die Kamera.
Legende: Die 9-jährige Erika Stucky am San Francisco International Airport, 1971 zvg

«Wow, das ist ja nicht nur ein Hippie, diese kleine Erika. Die ist so hip – auch elegant. Ich war da schon erwachsen. Mit 9 wusste ich genau: This Guy is cool, this guy is not cool – I know what’s happening, I know what’s going on.

Wir hatten einen guten Radar. Vielleicht mussten wir auch, mit all diesen komischen Typen, die auf irgendwas waren und die Stadt gestrählt haben nach Abenteuern.

Ich rieche auch noch dieses muffige Leopardenplüsch, bitzli staubig, bitzli Plastik. In der Hand hab ich einen Barbiekoffer mit ihrer Garderobe. Die Frau hinter mir im satin-hellgrünen Mantel: Man, waren die Leute gut angezogen.»

Als junge Frau: Strassenmusik und Swissness

Für die restlichen Kindheitsjahre ist Mörel im Wallis ihr Lebensmittelpunkt. Zu Erikas US-amerikanischen Helden Janis Joplin und Donovan gesellen sich Jodel, Zäuerli und Talerschwingen. Ein organischer Prozess für das Mädchen.

Als junge Erwachsene bereist sie 1980 mit einer Freundin Südamerika. Die beiden haben vor, Strassenmusik zu machen. Im Gepäck die Gitarre – und eine Walliser Tracht.

Frauen mit traditionellen bolivianischen Gewändern sitzen auf der Strasse. Mittendrin: Zwei Frauen in
Legende: Erika Stucky mit Schweizer Tracht, Uschi aus Zermatt (re.) und bolivianische Bekanntschaften. zvg

«Stell dir vor: es musste e Wärchtagstracht mit auf die Reise. Diese weinrote Tracht – ich hab da noch mit Chrüüzlistich die Rosen reingestickt. Dass das mit ins Gepäck musste... Was war das für ein Gedanke!

Nur – wir waren halt sofort verschwestert mit den Indio-Frauen. Nicht nur Gringas, sondern Hermanitas. Wir waren ihnen als Bauernmädchen wahrscheinlich näher als diese «Jeans, bauchfreien Meitli», die überall rumtourten.

In dieser Tracht habe ich Janis Joplin, Bob Dylan und Schweizer Volksmusik gesungen – und die Uschi aus Zermatt ist mit dem Hut rumgegangen. Es hat uns immer wieder Türen geöffnet und Einladungen zum Znachtessen ermöglicht.»

Die Erwachsene: Mutige Musikerin und Matriarchin

In der Tracht US-amerikanische Songs trällern, zwischendurch eins jodeln und ganz nebenbei die Herzen im Sturm erobern: Es scheint, als hätte Erika Stucky dort in Bolivien bereits ihre späteren Bühnenprogramme erahnt.

Die Geschichte der «Frau zwischen den Welten» bringt sie erstmals mit «Bubble Town» auf die Bühne.

Musiker posieren mit ihren Instrumenten.
Legende: Erika Stucky und die «Bubble Family» im Jahr 2002 am Willisau Jazzfest. Gina Folly

«Mit Bubble Town habe ich mir zum ersten Mal erlaubt, Schweizerin und Amerikanerin in einer Figur zu sein. Gezeigt, dass ich beide Seelen habe. Wir waren ja Bubbliner aus Bubble Town, das hat geholfen. In Bubble Town sprechen die Leute verschiedene Sprachen, haben Schaufeln und Talerbecken und Kinder und Hühner auf der Bühne; das war unsere Fantasy-Folklore.

Ich bin das Familienoberhaupt, die Matriarchin, die breitbeinig in der Mitte sitzt. Bubble Town ist seit den 1990ern die Family Band – weil damals ja das Kind da war, konnten wir nicht mehr so intensiv touren und es ging ruhiger zu und her.»

Heute: Andenken und Anerkennung

Erika Stucky ist ein Familienmensch. Sie definiert sich nicht nur als Matriarchin und Mutter, sondern auch als Tochter und Erbin einer Reihe mutiger Vorfahren. Ihr Grossvater ist mit 17 in die USA ausgewandert und zurückgekehrt, ihr Vater und seine Brüder sind als junge Männer ebenfalls nach Übersee.

Dem Vater widmet sie ihr aktuelles Bühnenprogramm «Papito».

Plakat, auf dem ein junger Mann mit Blutfleck auf der Brust zu sehen ist.
Legende: Artwork für das aktuelle Bühnenprogramm «Papito». zvg

«Mein Vater war Metzger. Hier ist er 22, schön gstriglet, mit Gravatte und dann mit diesem Metzgerschurz. Ich hab dieses Bild entdeckt und mir gedacht: Ich will für ihn ein Album machen mit fleischigen Songs.

Ich will Barockmusiker, die auf Schafsdärmen spielen. I wanna hear the sheep cry. Ich will hören, wie es tönt, wenn Schafsdärme schwingen. Wenn man so was ausspricht, kommen all die blutigen Ideen nur so reingeschwirrt.

Bei den Proben habe ich überall Fotos von ihm aufgehängt, damit die Musiker wussten: Ah – wir machen Musik für den blonden Mann, der ihr Vater war. Alle waren mit Papi da. Es war eine richtige Abschiedsfeier, eine Totenmesse für ihn.»

Für ihr Werk erhält Erika Stucky den Schweizer Grand Prix Musik 2020. Einen hochdotierten Preis, der ihr auf finanzieller Ebene Freiraum ermöglicht. Aber mehr noch freut Erika Stucky die Anerkennung, die mit dem Preis verbunden ist.

Tag der Schweizer Musik bei der SRG

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Dass das Bundesamt für Kultur auch in diesem Jahr einen Schweizer Musikpreis vergibt und damit die Aufmerksamkeit auf das Schaffen der Sparte in diesem Land lenkt, ist in Zeiten von Corona noch wichtiger geworden.

Er wird am 17. September in Lausanne vergeben. Mit dem Schweizer Grand Prix Musik 2020 wird die Sängerin Erika Stucky ausgezeichnet.

Ausserdem ruft die SRG am 18. September landesweit einen Tag der Schweizer Musik aus. Alle Programme nehmen das Thema auf, und auch SRF 2 Kultur steht an diesem Tag ganz im Zeichen der einheimischen Produktion.

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Erika Stucky: Papito
aus Klangfenster vom 10.02.2018.
abspielen. Laufzeit 31 Minuten 33 Sekunden.

SRF2 Kultur, Sendung: Passage, 18.09.2020, 20:00

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