Anne-Sophie Mutter ist eine der wenigen Geigerinnen, die man selbst im Radio gleich erkennt: Sie spielt stets markant, saftig und mit dunklem Timbre. Dieser unverwechselbare Klang und ihre makellose Technik haben ihr zu einer beispiellosen Karriere verholfen.
Privates hat sie dabei stets privat gehalten. Das weckt die Hoffnung, im Dokumentarfilm «Anne-Sophie Mutter - Vivace» endlich mehr über die Stargeigerin zu erfahren.
Der triviale Blick in die Privatwelt
Doch Anne-Sophie Mutter erklärt gleich zu Beginn des Films: «Musiker sind dann am privatesten, wenn sie auf der Bühne stehen.» Alles andere sei trivial, sagt sie. «Was ich frühstücke, oder welche Liebhaber ich unter meinem Bett verstecke – das ist nicht das, was mich wirklich ausmacht!»
Dabei geht Regisseurin Sigrid Faltin extra mit Anne-Sophie Mutter samt Dackel Bonnie in den Alpen wandern, um einen Blick in die Privatwelt der grossen Geigerin zu erhaschen. Doch Anne-Sophie Mutter ist ein Kontrollfreak; der sogenannte Dokumentarfilm wird erst nach ihrem OK freigegeben, wie der Zuschauer bald erfährt.
Lobeshymnen und Bilder vom Karrierestart
Im Film trifft Anne-Sophie Mutter selbstgewählte Weggefährten zum Gespräch, darunter ihren langjährigen Klavierbegleiter Lambert Orkis, Komponist John Williams und Dirigent Daniel Barenboim. Künstlerisch interessante Gespräche ergeben sich dabei nicht; all die Männer sind nur des Lobes voll für die Künstlerin. Wie schon der Dirigent Herbert von Karajan, der über die damals 13-Jährige urteilte: «Ein Genie auf der Geige!»
Fortan war Anne-Sophie Mutter mit dem Interesse der Medien konfrontiert. Als 15-Jährige wird sie in ihrem Zuhause im baden-württembergischen Städtchen Wehr gefilmt. Wir sehen einen selbstbewussten Teenager, der weiss, dass nur die Solistenkarriere infrage kommt. Diese alten Fernsehbilder zeigen, wie willensstark die Künstlerin schon in jungen Jahren war.
Sprung von Anekdote zu Anekdote
Eindrücklich sind die kurzen Filmpassagen, in denen Anne-Sophie Mutter vom frühen Tod ihres ersten Mannes berichtet, kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Dass sie anschliessend Karriere und Familienleben als Alleinerziehende gemanagt hat, darum macht sie auch im Dokumentarfilm nicht viel Aufhebens.
Lieber gibt sie unumwunden zu, Fan von Tennisstar Roger Federer zu sein, den sie ebenfalls zum Gespräch trifft. Darin zeigt sich, dass Roger Federer mit den Klatsch-Ritualen der Klassik-Szene nicht vertraut ist, und welche Parallelen Anne-Sophie Mutter zum Tennis sieht: «Wir warten alle auf den Flow, dass Du eins bist mit der Materie und mit dem, was du genau in diesem Moment tust!»
So mäandert der Film etwas zusammenhanglos von Anekdote zu Anekdote. Klar wird vor allem eins: Anne-Sophie Mutter ist kein Mensch wie Du und ich. Sie hat ungleich mehr Energie, grosse Disziplin, Zielstrebigkeit – aber auch Humor.
Für Fans der Geigerin ist der Film eine nette Bereicherung. Doch persönliche Aussagen zu ihrem Leben und ihrer Musik finden sich nur wenige. Anscheinend drückt sich die Geigerin tatsächlich am liebsten mit ihrem Instrument aus.
Kinostart: 26. Mai 2023