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Frauen in der Musik Es gibt keine Komponistinnen? Doch, mindestens 250

Musik von Frauen kommt in der Musikgeschichte kaum vor. Ein neues Buch rückt nun gleich «250 Komponistinnen» ins Rampenlicht – und weist den vergessenen Frauen endlich den gebührenden Platz zu, den sie verdienen. Eine musikalische (Wieder-)Entdeckungsreise.

«Noch nie gehört», heisst es auch auf der SRF-Musikredaktion bei Namen wie Jeanne Beijerman-Walraven, Chen Yi oder Caterina Assandra. Komponistinnen führen in der Musikgeschichte bis heute ein Schattendasein.

An der Qualität ihrer Kompositionen liegt das nicht, vielmehr wurden sie schon zu Lebzeiten ausgebremst. Jahrhundertelang sollten sie ihr Leben statt der Musik ihren Verpflichtungen als Mütter und Ehefrauen widmen. Musikgeschichte wurde ausserdem lange von Männern geschrieben – Komponistinnen liessen sie oft unter den Tisch fallen.

250 Frauen füllen die Lücke

Inzwischen versuchen immer mehr Forschungsprojekte und Konzertreihen, diese Leerstellen zu füllen. Der Musikwissenschaftler und -journalist Arno Lücker rückt in seinem Buch «250 Komponistinnen» übergangene Musikerinnen vom Mittelalter bis zur Gegenwart ins Rampenlicht.

Porträtaufnahme einer jungen frau.
Legende: Zum Beispiel Henriëtte Bosmans: Die Niederländerin ist eine der 250 Komponistinnen, die im Buch von Arno Lücker gewürdigt werden. Beeldbank Stadsarchief Amsterdam

Die Komponistinnenporträts, die im Buch vereint sind, sind mehr als biografische Überblicke. Im Zentrum steht die Musik. Die beschreibt Lücker auf erfrischende Weise: Bei Iris Ter Schiphorst klingt das Orchester für ihn wie eine «wildgewordene Big Band aus kaputten Motorsägen», Hanna Kulentys «Concerto Rosso » beginne «wie ein vielversprechender Track im Club». Und wer hören will, wie eine «Nonne ganz aus sich heraus» geht, muss nur Chiara Cozzolanis Musik lauschen.

Manchmal schiesst Lücker mit seiner Begeisterung über das Ziel hinaus und überfrachtet die Texte mit sprachlichen Bildern und Vergleichen. Aber seine Texte machen Lust auf Musik. Wie gut, dass es auch einen Soundtrack zur Lektüre gibt: Ein QR-Code im Buch führt zu einer Playlist mit meisterinnenhafter Musik.

«Hier geht es um alles»

Eines der Stücke heisst «Before I’d be a Slave» , geschrieben 1953 von der US-Amerikanerin Undine Smith Moore für ein Klavier. Die Enkelin einer Sklavin war als Komponistin und Professorin Wegbegleiterin und Wegbereiterin für junge People of Color, die in der Musikszene Fuss fassen wollten. Wer sich ihre dringliche Musik anhört, versteht, wieso Arno Lücker zum Schluss kommt: «Es geht hier um alles!»

Die Musik der Komponistinnen ist mindestens so interessant wie die ihrer männlichen Kollegen, wenn nicht gar interessanter. Lücker begründet das mit der These, dass Komponistinnen «Überzeugungstäterinnen» seien. Warum sonst sollten sie zum Notenpapier gegriffen haben, trotz aller Widerstände?

Der Kanon ist männlich

Bei der Beschreibung der Stücke der Komponistinnen kommt Lücker nicht ohne Vergleiche mit bekannten Komponisten aus. So männerdominiert sind musikalische Referenzen: Die Musik einiger weniger berühmter Männer ist die Messlatte, die bei der Beschreibung von Musik angelegt wird – und bei der Beurteilung.   

Zeichung einer Frau am Klavier
Legende: Clara Schumann ist eine der wenigen Komponistinnen, denen zu Lebzeiten ein gewisser Erfolg beschieden war. Getty Images / Grafissimo

Diese Orientierung am männlichen Kanon ist nicht nötig. Aber Arno Lückers Komponistinnen-Sammlung schliesst hier Leerstellen und ermutigt Hörerinnen, Musiker und Konzertveranstalterinnen, die Ohren zu spitzen.

Damit kann das Buch dazu beitragen, dass Komponistinnen endlich den Platz bekommen, den sie verdienen – auf den Notenpulten, in Musikgeschichtsbüchern und in unseren Lieblingsplaylists.

Buchhinweis

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Arno Lücker: «250 Komponistinnen – Frauen schreiben Musikgeschichte». Die andere Bibliothek, 2023.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 21.11.2023, 08:06 Uhr.

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