Das Jazzfestival Willisau ist eine Institution mit internationalem Renommee und ein Familienbetrieb. Auch 50 Jahre nach der ersten Ausgabe soll dabei die Neugier des Publikums auf das Unerwartete hochgehalten werden. Im Gespräch erzählen Festivalgründer Niklaus Troxler und sein Neffe und Nachfolger Arno Troxler über die Geschichte und Werte hinter dem Festival – und verraten ihr Erfolgsrezept.
SRF: Wie fühlt sich das an, 50 Jahre Jazz Festival in Willisau?
Arno Troxler: Es macht mich stolz und fast ein bisschen ehrfürchtig, dass ein Festival dieser Art über so lange Zeit Bestand hat und damit auch die ganze Geschichte, die es mit sich trägt.
Niklaus Troxler: Ja und es zeigt sich auch, wie das Festival das Leben beeinflusst hat, ganz persönlich. Die vielen Erlebnisse, die Begegnungen zwischen Musikern und Publikum. Es sind unglaubliche Erlebnisse, die kann man gar nicht wegdenken.
Was ist das Erfolgsrezept?
Niklaus Troxler: Einerseits stimmte der Zeitpunkt damals. Wir hatten schon einzelne Konzerte gemacht hier in Willisau, es war an der Zeit, dass man mal etwas Grösseres gemacht hat. Und es war ja die Zeit des Free Jazz, aber auch die Zeit, wo viele wichtige Exponenten des Free Jazz gar noch nicht in der Schweiz gespielt hatten. Die waren dann am Festival 75 da: Cecil Taylor mit dem Trio, Archie Shepp, oder die Chris McGregor’s Brotherhood of Breath.
Wie wichtig war und ist die Familie?
Niklaus Troxler: Wir haben das immer im Familienverbund gemacht (zeigt auf Arno). Sein Vater, mein Bruder, der hat immer die Bühne gemacht und meistens auch viele Aufnahmen. Geschwister, Freunde, alle waren dabei. Wir waren alle jung, und die Helfer waren extrem jung. Ich glaube, wir waren sogar die Ältesten im Organisationsteam, und 1975 war ich gerade mal 28.
Arno Troxler: Und das ist immer noch so, ein Grossteil der Helferinnen und Helfer ist immer noch sehr jung. Sie erhalten einen so einfachen Zugang zum Festival und zu dieser Musik, den sie vielleicht sonst nicht hätten. Das gibt dann über die Jahre eine Familie.
Mein erster Impuls damals war: Ich will jetzt mein eigenes Ding machen.
In der Familie blieb das Festival auch nach Ihrer letzten Ausgabe 2009, Niklaus Troxler, als Sie an Ihren Neffen Arno Troxler übergeben haben.
Niklaus Troxler: Ja, das ist ein Glücksfall, dass es weitergeht. Für mich war es ein guter Zeitpunkt.
Arno Troxler: Sie haben damals gesagt, Sie wüssten genau, was Sie anders machen wollen – was hat sich denn verändert?
Arno Troxler: Ehrlich gesagt? Im Nachhinein dann doch ziemlich wenig, zum Glück. Klar, mein erster Impuls war: Ich will jetzt mein eigenes Ding machen.
Die Musik war immer und ist der Mittelpunkt geblieben.
Mit der Zeit merkte ich: Es geht gar nicht um mich. Entscheidend ist, dass die Haltung hinter diesem Anlass weiter besteht.
Nämlich?
Arno Troxler: Die Musik war immer und ist der Mittelpunkt geblieben. Es gibt keine grossen Ablenkungen, keine Pausenmusik, keine Screens in der Halle, wo zuerst noch irgendeine Vorschau läuft.
Ich habe den Eindruck: Das sind Konzerte ohne Triggerwarnung. Warum ist es wichtig, das Publikum heute aus der Komfortzone zu holen?
Arno Troxler: Mir scheint, dass dadurch, dass wir mit unseren Geräten die Welt die ganze Zeit im Sack haben, die Möglichkeit, etwas zu entdecken, verloren geht.
Die Neugier auf das Unerwartete soll bestehen bleiben.
Für alles, was wir tun, und sei es einen neuen Sack für den Staubsauger zu kaufen, gibt es 15 Testberichte. Ich finde es sehr wichtig, dass die Neugier auf das Unerwartete bestehen bleibt. Diese Neugier wollen wir «füttern».
Das Gespräch führte Jodok Hess.