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Teodor Currentzis: Ein Stardirigent mit Russland-Connection
Aus Kultur-Aktualität vom 19.07.2022. Bild: Keystone
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Kontroverser Dirigent Darum stehen die Salzburger Festspiele vor einer Zerreissprobe

Am Montag wurden die Salzburger Festspiele eröffnet. Heute steht einer der umstrittensten Auftritte auf dem Programm: ein Konzert mit Teodor Currentzis und seiner MusicAeterna. Ein Aufreger mit Ansage.

Worum geht's? Stardirigent Teodor Currentzis und die von ihm gegründeten, privat finanzierten Ensembles, Chor und Orchester MusicAeterna werden von der VTB Bank gesponsert, der zweitgrössten Bank Russlands. Sie gehört gemäss Reuters zu mehr als 90 Prozent dem russischen Staat und steht jetzt auf den Sanktionslisten der USA und Europas. Ausserdem sitzen im Kuratorium von MusicAeterna Putin-nahe Personen wie der Chef der VTB-Bank (Andrey Kostin), der Gouverneur von St. Petersburg (Alexander Beglov) und die Zentralbankchefin Russlands (Elwira Nabiullina).

Zudem liess sich MusicAeterna kürzlich eine Russland-Tournee vom Energiekonzern Gazprom sponsern, der Europa gerade den Gashahn zudreht. Und MusicAeterna spielte im Juni unter Leitung von Currentzis am Wirtschaftsforum in St. Petersburg, an dem Putin den Westen in seiner Rede scharf angriff.

Teodor Currentzis zu seinem Demokratieverständnis

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Mittlerweile hat Teodor Currentzis mit einer umjubelten Produktion von Béla Bartoks Oper «Herzog Blaubarts Burg» auch auf der Opernbühne die Festspiele in Salzburg eröffnet. Proteste gab es draussen vor dem Festspielhaus. Drinnen herrschte einhellige Zustimmung.

Ein Interview oder ein Statement zur Lage in der Ukraine und zu seinem Verhältnis zu Putin ist von Currentzis nicht vor dem 4. August zu erwarten. Dann wird auf dem österreichischen Sender Servus-TV ein Interview ausgestrahlt, das wir hier teilweise vorab zitieren können.

Currentzis sagt darin: «Demokratie, dieses Wort bedeutet mir viel. Es bedeutet, dass jeder Mensch über sich selbst entscheiden kann. Und ich habe diese Entscheidung zu akzeptieren und zu respektieren. Nur wenn wir so denken, kommen wir voran und können die Zukunft verbessern. Wenn wir die Ideen des Anderen nicht akzeptieren, tappen wir in eine Falle und landen in einem anderen System. Und wir kennen dieses System sehr gut aus der Vergangenheit.»

APA/SZ/benh

Wie reagieren Veranstalter wie die Salzburger Festspiele? Das Wiener Konzerthaus hatte wegen dieser Sponsorings ein Ukraine-Benefizkonzert mit Currentzis und MusicAeterna abgesagt. Auch die Bayerische Staatsoper hatte im Mai eine Opernproduktion mit Currentzis am Pult um zwei Jahre verschoben.

Die Leiterin der Salzburger Festspiele, Kristina Hammer, hält hingegen fest, der Dirigent habe sich nicht öffentlich für den Krieg ausgesprochen. Man sollte hier «differenziert und mit Augenmass vorgehen». Allerdings hat sich Currentzis auch nie öffentlich gegen den Krieg oder gegen Putin ausgesprochen – vor ein paar Jahren hingegen unterzeichnete er noch eine Petition gegen die Verhaftung des Regisseurs Kirill Serebrennikow.

Werden die Auftritte von Currentzis und MusicAeterna in letzter Sekunde abgesagt? Wohl kaum, so kurzfristig wird sich kein Ersatz finden, und so spät auch nur schwer eine Erklärung. Zudem soll Currentzis die wohl spannendste Opernproduktion dieser Festspiele dirigieren: einen Doppelabend mit Bela Bartóks Einakter «Herzog Blaubarts Burg» und Carl Orffs Endzeitspiel «De temporum fine comoedia», inszeniert von Starregisseur Romeo Castellucci, mit dem er bereits mehrfach und erfolgreich zusammengearbeitet hat.

Und am Dienstagabend soll er Schostakowitschs 13. Sinfonie dirigieren, in welcher der Komponist auch ein Gedicht vertonte, das auf das Massaker von Babi Jar vor den Toren Kiews verweist. Nazis töteten dort 1941 zehntausende Jüdinnen und Juden.

Werden die Auftritte Folgen haben? Einen schalen Nachgeschmack hat diese Besetzung unter diesen Rahmenbedingungen bereits. Auch Currentzis hat trotz seines beredten Schweigens Sympathiepunkte eingebüsst. Letztlich wird sich aber erst nach den Auftritten zeigen, wem die Festspiele mit dieser Programmierung den grössten Gefallen gemacht haben: Der Kunst (dank einer kongenialen Zusammenarbeit zwischen Currentzis und Castellucci)? Dem Publikum? Sich selbst? Oder aber der russischen Propaganda, die es sich nicht nehmen lassen dürfte, die Auftritte des von russischen Konzernen protegierten Currentzis und MusicAeterna medial zu verwerten.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 19.7.2022, 17:10 Uhr

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