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Missverständnisse in der Musik Madonna mit Borderline? 5 Songs, die völlig missverstanden werden

An Festen und Hochzeiten dürfen sie nicht fehlen: Die Hits aus der Pop- und Rockwelt. Dumm nur, wenn ihre wahre Bedeutung so gar nicht zum Anlass passt. Autor Michael Behrendt spürt in seinem neuen Buch 99 ½ missverstandenen Songs nach – mit kuriosen Interpretationen, Geschichten und Absurditäten. Hier sind fünf Beispiele:

1. The Turtles: «Happy Together» (1967)

Ein fröhlicher Song, auf den ersten Höreindruck – Friede, Freude, Eierkuchen, wie in der Schokoriegel-Werbung – doch handelt dieses Lied von einer nicht erfüllten Liebe. Dass das glückliche Zusammensein eine blosse Vorstellung bleibt, wird bereits im ersten Satz verraten: «Imagine me and you…» («Stell dir vor, du und ich …»). Damit ist «Happy Together» für Hochzeiten, wo er besonders gerne gespielt wird, doch etwas ungeeignet.

2. Madonna: «Borderline» (1983)

Es ist tragisch, wenn bereits der Songtitel dazu verleitet, eine Künstlerin psychologisch zu diagnostizieren – doch genau das ist bei «Borderline» (1984) der Königin des Dance Pop geschehen. Nach der Jahrtausendwende glaubten mehrere Stimmen «Borderline» als autobiografischen Song zu identifizieren – und eine doch schwerwiegende Persönlichkeitsstörung bei der Künstlerin. Buch-Autor Michael Behrendt hält fest: Die Protagonistin klingt «wie eine ganz ‹normale› Verliebte, die sich von ihrem Partner mehr Zuneigung und Beständigkeit wünscht.»

3. Suzanne Vega: «Luka» (1987)

Songwünsche am Radio bereiten Freude, besonders auch als Überraschung für einen lieben Menschen. Doch aufgepasst bei Namensvetter-Stücken: Das Song-Ich erzählt nicht immer eine gute Geschichte. Suzanne Vegas «Luka» beispielsweise thematisiert das wichtige Thema häusliche Gewalt an Kindern. Im Liedtext versucht die erzählende Person Luka, die erlebte Gewalt zu verharmlosen, gar zu leugnen: «Yes I think I’m okay / I walked into the door again / If you ask that’s what I’ll say / And it’s not your business anyway» («Ja, ich glaube, mir geht es gut / Ich bin wieder gegen die Tür gelaufen / Wenn du fragst, werde ich das sagen / Und es geht dich sowieso nichts an»).

4. James Blunt: «You’re beautiful» (2004)

Ein Song, der ebenfalls besonders gerne an Verlobungen und Hochzeiten gespielt wird: «You’re beautiful» des britischen Singer-Songwriters James Blunt. Dabei ist er alles andere als romantisch, vielmehr Ausdruck eines frustrierten Typen, der «fucking high» ist, also unter Drogeneinfluss steht, und einer Frau nachschaut. Ihre Blicke treffen sich, doch sie bleibt für ihn unerreichbar.

5. Peter, Paul & Mary: «Puff (The Magic Dragon)» (1963)

Der Song von Peter, Paul & Mary erzählt von der Freundschaft zwischen dem Zauberdrachen «Puff» und dem Jungen «Jacky Paper» im Fantasieland Honalee, die jedoch zu Ende ging, weil Jacky irgendwann nicht mehr da war. Ein Kinderlied? Manche hören da was anderes: Aus dem «Dragon» wurde ein «draggin'» (inhalieren), aus dem «Honalee» die Stadt Hanalei, die bekannt ist für ihren Marihuana-Anbau, und der Junge «Jacky Paper» wurde zum gedrehten Joint. Dabei entstand der Song in einem völlig exzessfreien Kontext, und handelt vom Erwachsenwerden.

Auf den ersten Höreindruck zählt oft die Stimmung eines Songs. Doch wovon ein Song wirklich erzählt, ist meist komplexer. Dahinter stehen Entstehungsgeschichten, Musikschaffende, Bands und gesellschaftspolitische Einflüsse. Behrendt schafft hier Klarheit und spürt auf sorgfältige, humorvolle Weise 99 ½ Songs und deren Geschichten nach. Doch: Menschen hören, was sie hören wollen, und das trifft teilweise auch auf den Autor zu.

Buchhinweis

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Michael Behrendt: «Verhört. Verkannt. Vereinnahmt. 99 ½ missverstandene Songs», Reclam, 2025.

Radio SRF 2 Kultur, 5.11.2025, 16:15 Uhr

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