- Die instabile Lage in Haiti lässt die Bewohner in konstanter Angst leben. Djazakala singen gegen diese Angst an.
- Der tägliche Überlebenskampf ist auch für Musiker Realität: wenige Auftrittsmöglichkeiten und inexistente Urheberrechte machen ihnen das Leben schwer.
- Die Vision der Musiker ist ein unabhängiges und selbstbestimmtes Haiti.
Die Identität der Haitianer ist ein Schlüsselwort im Universum der Band Djazakala – vier Musiker, Mitte zwanzig, die sich vor drei Jahren zusammengeschlossen haben. Mit ihrem Bandnamen wollen sie sagen: Vielen Dank Allah, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Musik zu verbreiten.
Djazakala sind Muslime. Ihr Verhältnis zum Islam ist offen und sehr liberal. Denn ihre Musik ist für sie ein wichtiges Mittel ihre Botschaften in Haiti, dem ärmsten Land Lateinamerikas, zu verbreiten: Die jungen Musiker treten als Zeitzeugen auf und machen auf Missstände in ihrer Heimat aufmerksam.
«Die permanent instabile und angespannte politische Situation in Haiti löst Angst und Schrecken aus», erklärt Gitarrist und Sänger Ras Ely von Djazakala und fährt fort: «Das hat verheerende Auswirkungen auf die körperliche und geistige Verfassung der Bevölkerung. Die Haitianer leben in ständiger Angst.»
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Musik als Mittel gegen die Angst
Die politische Situation in Haiti ist extrem angespannt: Präsidenten wurden seit dem Ende der Diktatur 1986 immer wieder von Militärs aus dem Amt geputscht oder durch Aufstände abgesetzt. Und besonders seit dem verheerenden Erdbeben 2010 hat sich die Lage verschärft und Haiti ist von internationaler Entwicklungshilfe abhängig.
Gegen die allgemein lähmende Angst in ihrer Heimat, haben die engagierten Künstler ein wirksames Rezept: ihre Musik. Sie gibt ihnen ein Gefühl von Stärke und Zusammengehörigkeit. «Roots Music der jungen Generation» nennen sie ihre Klänge.
In Haiti ist jeder Tag ein Überlebenskampf – natürlich auch für Musiker: Raubkopien, fehlende Urheberrechte und sehr beschränkte Auftrittsmöglichkeiten. Doch Djazakala lassen sich davon nicht entmutigen. Sie bleiben traditionellen Rhythmen treu, die sie mit Jazz-, Rock- und Reggae-Einflüssen bereichern. So trotzen sie der Dominanz des US-Hip-Hop in ihrer Heimat.
Gemeinsam und selbstbestimmt
Die Gemeinschaft – ein weiteres Schlüsselwort für Djazakala. Sie leben in der südwestlich gelegenen Stadt Jérémie, in einer dorfähnlichen Gemeinschaft, die sich Lakou nennt. Dieses in Haiti verbreitete Wohnmodell ist aus der Opposition gegen die Sklaverei und die Kolonialisierung heraus entstanden. Hier leben Familienmitglieder und Freunde gleichberechtigt zusammen.
Die Lebensphilosophie der vierköpfigen Band basiert auf der Selbstversorgung: Haiti muss von sich aus autonom und von der Unterstützung anderer Staaten unabhängig werden. «Nur gemeinsam sind wir stark», argumentiert Ras Ely, «nur gemeinsam können wir das autonome Prinzip in Angriff nehmen, die einzige Quelle, die uns schon immer in schwierigen Zeiten das Überleben garantierte.»
Inspiriert von Ideen des haitianischen Nationalhelden Dutty Boukman, Anführer des ersten Sklavenaufstands 1791, setzen sich die Musiker in ihren Songs kritisch mit der Kolonialisierung auseinander.
Appell an die Landsleute
Der Song «Nou granmoun» beispielsweise beginnt mit den Worten: «Wir müssen endlich über unser Land selbst bestimmen.» So rufen Djazakala die junge Generation zum Handeln und zu Eigenverantwortung auf. Auch das kulturelle Erbe und die Vorfahren spielen eine wichtige Rolle in ihren Texten. «Wir dürfen nicht vergessen», erklärt Ras Ely, «woher wir kommen. Erst dann wissen wir, wohin wir gehen.»
Djazakala haben sich in Haiti einen Namen gemacht, haben etwa die Bühnen mit dem Gitarristen Habib Koité aus Mali oder dem haitianischen Sänger und Komponisten BélO geteilt – ein musikalischer Botschafter, bekannt für sein politisches und soziales Engagement.
Die Musiker von Djazakala haben eine Vision. Sie wollen ihre Landsleute vom alltäglichen Überlebenskampf ablenken, sie zum Nachdenken anregen und ihnen Hoffnung machen. Ihre Fangemeinde wächst stetig.
Sendung: Kultur aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 19.09.2016, 16.50 Uhr.