Sandra Rupp Fischer leitet einen stattlichen Chor mit 60 Sängerinnen und Sängern in Olten. Seit das Singen wieder erlaubt ist, proben sie in der Kirche statt wie vorher im Probelokal. «Eigentlich sind wir sehr fit darin, neue Dinge zu erarbeiten. Aber im Moment braucht alles etwas mehr Zeit.»
Sogar für ihre geübten Sängerinnen sind die neuen Bedingungen eine Herausforderung. «Das Singen mit zwei Metern Abstand ähnelt solistischem Singen», sagt Jochen Kaiser, der bei den reformierten Landeskirchen Zürich und Thurgau für die Kirchenmusik zuständig ist.
Abgänge wegen Corona befürchtet
Doch es sind nicht die Corona-bedingten Massnahmen, die den beiden Sorgen machen, sondern die lange Probepause im Frühling.
«Einige Sängerinnen und Sänger haben bemerkt, dass sie am Probeabend auch was anderes tun können», sagt Sandra Rupp Fischer.
Sie spricht von herausfordernden Zeiten, was Jochen Kaiser bestätigt. Er erzählt von einem Treffen mit Chorleiterinnen und Chorleitern aus dem Thurgau. «Da hörte man die Angst, dass viele der Sängerinnen und Sänger die Pause zum Anlass nehmen, nicht wiederzukommen.»
Viele hätten schon früher mit dem Gedanken gespielt, aufzuhören und täten dies nun. Bei Chören, die schon zuvor mit Nachwuchsproblemen gekämpft haben, stellt sich deshalb die Frage: aufgeben oder weitermachen?
Neue Motivation dank neuer Aufgaben
«Unbedingt weitermachen», findet Jochen Kaiser und rät, den Chören neue Aufgaben zu geben. «Sie könnten bei Beerdigungen singen und dort dafür sorgen, dass die Trauernden den Trost der Musik spüren.» Oder die Chöre könnten in den Gottesdiensten vorsingen und die Gemeinde anleiten.
Das sei gerade heute eine wichtige Aufgabe, weil nur noch wenige Gottesdienstbesucherinnen und -besucher die Lieder beherrschten. Und könnte müde gewordenen Sängerinnen und Sängern neu motivieren, hofft Jochen Kaiser. Oder der klassische Chor löst sich auf und macht Platz für Neues. Etwa für einen Gospelchor, der auch Junge anzieht.
Trifft Spardruck Chöre?
Zentral sei, dass die Pfarreien und Kirchgemeinden nicht unter finanziellem Druck das Budget für die Chöre streichen, betont Sandra Rupp Fischer. «Solange der Gottesdienst derart hohe Priorität in den Kirchen hat, müssen sich die Kirchgemeinden die Chöre leisten.»
Hier ist die Corona-Pandemie Chance und Herausforderung zugleich. Die Kirchgemeinden und Pfarreien müssen sich neu überlegen, was sie mit ihren Chören tun wollen. Die Pfarrerinnen und Kirchenmusiker müssen durchdacht entscheiden, wann und wie sie den Kirchengesang einsetzen.
Ein bewussterer Umgang mit Chören und Gesang steht also dem Spardruck und der Abwanderung von Chormitgliedern gegenüber. Was das heisst für die über Tausend Kirchenchöre der Schweiz, wird sich weisen müssen.