Schöne Musik, exklusive Bilder, illustre Gäste und die krächzende Erzählstimme des Schauspielers Carl Lumbly in der Rolle des Miles Davis: Das sind die Mittel, mit denen der Film «Birth of the Cool» die Karriere des einflussreichsten Jazzmusikers aller Zeiten erzählt – von seiner Geburt bis zum Tod (1926 – 1991).
Oft geht der Film im Schnellzugstempo voran. Doch er macht auch immer wieder an wichtigen Wendepunkten Halt und illustriert, welche Impulse Miles Davis aufnahm, um sich selbst künstlerisch in eine neue Richtung zu bewegen.
Aus dem Scheitern gelernt
In den 1940ern landet der junge Miles Davis zum Beispiel in New York und steigt mit Charlie Parker und Dizzy Gillespie auf die Bühne. Mit zwei Musikern, die den Bebop erfunden haben – einen Stil, der sich durch hohe Tempi und komplexe Harmoniefolgen auszeichnet.
Miles Davis ist musikalisch und technisch noch völlig überfordert. Und er erhält auch keine Rückendeckung. Charlie Parker lässt Davis oft allein auf der Bühne zurück und lässt ihn scheitern.
Die Geburt des Cool Jazz
Miles beginnt dadurch zu verstehen, dass er stattdessen auf seinen lyrischen Trompetensound und seine sinnliche Phrasierung setzen muss. Er beginnt, mit Arrangeur Gil Evans zu arbeiten. Gemeinsam mit einem neunköpfigen Ensemble entsteht Ende der 1940er-Jahre die Musik zum Album «Birth of the Cool».
Dieses strahlt eine umwerfende Ruhe aus und ist ein klanglicher Hörgenuss. Miles Davis löst mit «Birth of the Cool» eine neue Ära aus: den Cool Jazz.
Frauen prägten seine Musik
Der sehr eigenwillige Miles Davis lässt sich von niemandem etwas sagen, weder von Plattenbossen noch von anderen Musikern. Doch von seinen Ehefrauen lässt er sich künstlerisch immer wieder beeinflussen.
Sei es durch Frances Taylor Davis, seine erste Ehefrau, die ihn trotz seines Widerwillens an eine Flamenco-Aufführung schleppt. Davis ist begeistert und nimmt 1959 die Grossproduktion «Sketches of Spain» in Angriff.
Seine spätere Ehefrau Betty Davis führt Miles Davis dagegen Ende der 1960er-Jahre in den Funk und den Rock ein und hat auch modemässig einen grossen Einfluss ihn. Diese Entwicklung mündet im bahnbrechenden Jazzrock-Album «Bitches Brew» von 1970.
Für zukünftige Fans
Von diesen Entwicklungen erzählt der Dokumentarfilm von Stanley Nelson. Eingefleischte Miles-Davis-Fans werden darin nicht viel Neues erfahren. Auch Zuschauer, die in die Musik von Miles Davis eintauchen wollen, werden wegen der sehr kurzen Musiksequenzen und viel Wortanteil während des Films nicht auf ihre Kosten kommen.
Aber der Film hat das Potenzial, Menschen zu erreichen, die erst dabei sind, Miles Davis und seine Musik zu entdecken. Die Doku befindet sich insofern ebenfalls an einer Schnittstelle: zwischen Miles-Davis-Fans und solchen, die es erst noch werden.