Die Geschichte beginnt in Wien, irgendwann nach der Jahrtausendwende. Die Stadt, in der wenige Jahre zuvor noch Leute wie Falco, Georg Danzer oder Wolfgang Ambros den Ton angegeben haben, scheint verschwunden zu sein. «Nichts Aufregendes, nichts energetisch Aufgeladenes» fand man mehr in Wien, wie Marco Wanda zu Beginn des Buches schreibt, «nirgendwo ein zusammenhängender Underground, der Heimat und Trost bieten könnte».
Also weicht er aus nach Berlin, wo er sich als Schriftsteller versucht. Und das Trinken erlernt. Nach einem «verlorenen Jahr» kommt er wieder zurück.
Aufbruchsstimmung in der Donaumetropole
Allmählich bewegt sich was in Wien. Eine goldene Generation von innovativen Künstlerinnen und Künstlern macht sich breit und entdeckt den Wiener Dialekt. Und damit einen eigenen Ausdruck. «Der Nino aus Wien», «Bilderbuch», «Voodoo Jürgens», all diese Bands und Künstler gehören nicht nur zum Umfeld von «Wanda», sondern bilden auch den Nährboden, auf dem «Wanda» gedeihen kann. Auch wenn das noch etwas dauern sollte.
Denn ganze zwei Jahre lang schreibt Marco Wanda Songs, ohne eine Band zu haben. Doch als er sie dann endlich hat, geht's schnell. Denn jetzt hat er Material für zwei ganze Alben, die er auch gleich aufnimmt.
Und schon stürmt «Wanda» die In-Lokale am Wiener Gürtel, schlussendlich die Charts. Nach wenigen Monaten spielt die Band vor zehntausenden von Leuten im gesamten deutschsprachigen Raum – auch in der Schweiz.
Heute ist «Wanda» eine der erfolgreichsten österreichischen Bands. Sechs Studioalben gibt es mittlerweile, mit zehnmal Gold, 16-mal Platin und 12 Amadeus-Awards – mehr als jede Band zuvor.
Mit dem Erfolg kamen auch die Kehrseiten
Aber es gibt auch eine andere Seite. Und die gehört auch zu diesem Buch. «Wanda» ist überfordert. Das ständige Touren, die vielen Konzerte, das Trinken, die Drogen. All das geht an die Substanz. Das Schlimmste aber ist der Umstand, dass Marco Wanda überall erkannt wird. Er, der an sich eher unsicher und zurückhaltend ist, schafft es zwar, auf der Bühne den Rockstar zu geben, nicht aber im Privatleben.
Diese Diskrepanz treibt ihn immer weiter in Not, die sich in immer noch mehr Alkohol und noch mehr Drogen niederschlägt. Zum Schluss kommen auch noch heftige Schicksalsschläge dazu, wie der Krebs-Tod des Pianisten Christian Hummer im Jahr 2022.
All das beschreibt Marco Wanda auf höchst professionelle Weise. Wie einer, der sein Leben lang geschrieben hat, was ja auch den Tatsachen entspricht, denn Marco Wanda schreibt schon lange Songs. Aber er beherrscht auch die lange Form. Tatsächlich kommt das Buch daher wie ein langer Rocksong. Mit Tempo und Tiefe. Auf den Punkt gebracht und präzisere gearbeitet. Und immer existentiell. Wie Rock’n’Roll eben. Das zieht rein und schafft Identifikation mit diesem jungen Mann, der da beschrieben wird, ganz egal übrigens, ob der nun ein Rockstar, ein Buchhalter oder ein Strassenbahnführer ist. Immer geht es ums Leben. Immer geht es ums Menschsein. Wie auch in den Songs von «Wanda».
Übrigens: Das Buch endet hoffnungsvoll. Die letzte Szene beschreibt «Wandas» Auftritt am Donauinselfestival 2024 in Wien. «Wanda» ist Hauptact und spielt ganz zum Schluss. Und mittendrin ein gesund und erholt wirkender Sänger, der zum ersten Mal überhaupt ein Konzert in nüchternem Zustand gibt.