Monostatos, der Schwarze Aufseher in Sarastros Palast, darf Pamina in Mozarts «Zauberflöte» nicht küssen: «Weil ein Schwarzer hässlich ist», singt er selbst. Mal abgesehen davon, dass Pamina ihn nicht küssen will. Allein in der letzten Saison wurde die Szene 1168-mal gespielt.
«Die Zauberflöte» ist nicht der einzige Opernhit voller rassistischer Erzählmuster und frauenfeindlicher Sprüche. Viele Werke stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und spiegeln damalige Wertvorstellungen wider. Nicht alles ist gut gealtert.
Zuschauende können das einordnen. Aber ständig wiederholte Stereotype nisten sich im Unterbewusstsein ein. Umso mehr, wenn Musik das Bühnengeschehen verstärkt und die Darstellenden alles geben. Also diskriminierende Begriffe streichen und Figuren empowern?
Bloss nicht, finden viele Opernfans und Fachleute: Partituren und Libretti gelten als unantastbar. Dabei war es zu Mozarts Zeit üblich, Opern an Ort, Publikum und Besetzung anzupassen.
Pamina stärken
Daran will die Kölner Initiative «Critical Classics» anknüpfen. Experten für Diversität und Sensitivity-Reading erarbeiten zusammen mit Opernspezialistinnen und Verlagsmenschen neue Fassungen. Bisher haben sie sich die «Zauberflöte» und Johann Sebastian Bachs «Johannespassion» vorgenommen, eine Säule des geistlichen Konzertrepertoires.
«Wir machen Vorschläge für den Umgang mit problematischen Passagen», sagt Regisseur Berthold Schneider, Initiator des Projekts. Die Neuedition der «Zauberflöte», mit markierten und kommentierten Änderungen, gibt es gratis zum Download.
Da werden Frauen nicht mehr als «Weiber» oder «Jungfrauen» bezeichnet. Die Königin der Nacht erkennt das Platzhirsch-Gehabe von Sarastro. Pamina nennt den übergriffigen Monostatos ein «Scheusal» und erhält eine neue Arie: eine Konzertarie Mozarts mit neuem Text. Darin denkt sie über ihre Gefühle für Tamino nach und entscheidet sich, für die Liebe zu kämpfen.
Vorwurf: «Cancel Culture»
Auch Monostatos wird plastischer. Im Original ist er böse, wütend, ein Aussenseiter. Rassistische Klischees lassen grüssen. «Critical Classics» machen ihn zum unehelichen Sohn von Sarastro, der ihn nicht anerkennt, und geben seiner Wut so einen plausiblen Grund. Dafür reichen wenige Textänderungen aus.
Illegitime Söhne seien in Opern des 18. Jahrhunderts ein gängiges Motiv, so Schneider. Auch sprachlich bleibt «Critical Classics» dem Stil der Zeit treu, damit die Änderungen nicht herausfallen. Traditionelle und moderne Inszenierungen sollen ihre Fassungen gleichermassen nutzen können.
Für ein breiteres Publikum
Das Echo in Fachkreisen sei geteilt. Neben Interesse und Offenheit gibt es laut Schneider auch Widerstand – Stichwort «Cancel Culture». Dabei gehe es nicht um Verbote: «Wir sind keine Polizei.» Die Änderungen seien Vorschläge, «damit nicht jedes Regie-Team von vorne anfangen» und einen Umgang mit veralteten und diskriminierenden Inhalten finden muss.
«Critical Classics» denkt auch ans Publikum: Das Team will allen, von Opernneulingen bis eingefleischten Fans, einen schönen Opernabend bescheren – ohne rassistische Klischees und Macho-Sprüche.
Wie Opern menschliche Abgründe ausleuchten, bleibt aktuell. Kluge Neueditionen machen sie heutigen Zuschauenden zugänglicher. Und könnten dazu beitragen, ein breiteres, diverseres Publikum zu erreichen.