«Mein Daumen hatte die Grösse einer Hundert-Watt-Glühbirne»: So beschreibt John «Ozzy» Osbourne eine lebensgefährliche Infektion. Weil er die «Glühbirne» anfänglich nicht ernst nahm, wäre er 2019 beinahe gestorben. Aber eben nur beinahe. Ozzys Begründung: «Wenn eine Katze neun Leben hat, dann habe ich mindestens dreiunddreissig.»
Selbstironie und Galgenhumor
Im Juli 2025 war Osbournes 33. Leben aufgebraucht – der Fürst der Finsternis starb im Alter von 76 Jahren. Wenige Wochen vorher hatte er in Birmingham ein Abschiedskonzert gegeben, das Millionen im Live-Stream mitverfolgten.
Mitschnitt von Ozzys Osbournes letztem Konzert
Gerade mal drei Monate später erscheint mit «Last Rites» Osbournes zweite Autobiographie. Er beschreibt darin die letzten Jahre seines Lebens, die von Schmerzen, Parkinson-Erkrankung, Lungenentzündung und Wirbelsäulenoperationen geprägt waren.
Doch trotz medizinischer Nabelschau ist «Last Rites» nicht einfach eine deprimierende Krankenakte, sondern eine unterhaltsame Lektüre. Dies, weil Ozzy einen tragikomischen Ton anschlägt und dabei nicht mit Selbstironie und Galgenhumor geizt.
Etwa wenn er das Resultat seiner Operationen beschreibt: «Ich war so voll Metall, dass ich annahm, der Bestatter könnte mich einfach in einen Recycling-Container stopfen.» «Last Rites» blendet auch zurück auf einschneidende Erlebnisse aus Osbournes langjähriger Karriere. Zum Beispiel auf den Rauswurf 1979 bei Black Sabbath oder wie er einer Taube und einer Fledermaus den Kopf abbiss.
Vieles davon ist nicht neu, Ozzys Geschichte wurde schon mehrfach erzählt. Und doch liefert «Last Rites» eine neue Perspektive: die eines 76-jährigen Mannes, der weiss, dass er nicht mehr allzu lange zu leben hat und der mit viel Schalk, Dankbarkeit und Freude auf seine Karriere zurückblickt.
Zudem erfährt man einiges über die Entstehung von Osbournes letzten beiden Solowerken und Zusammenarbeiten mit Stars wie Post Malone («Ich habe Socken hinter dem Sofa, die älter sind als er») oder Lemmy Kilmister («seine Stimme klang, als hätte er mit Kugellagern und Feuerzeugbenzin gegurgelt»).
Alles kann zur Droge werden
Doch nicht nur Musik und Ruhm prägten Ozzys Leben – auch seine langjährigen Kämpfe mit der Sucht hinterliessen tiefe Spuren, wobei er nicht nur mit illegalen Substanzen zu kämpfen hatte: «Wenn der Begriff ‹Mässigung› in deinem Wortschatz fehlt, ist nichts wirklich harmlos: Yorkshire Tee, Bücher mit Wortsuchrätseln, englische Süssigkeiten, Sportgeräte.»
Seinen Bodyguard trieb er in den Wahnsinn, weil er sich stundenlang Peter Gabriel anhörte. «Irgendwann ertrug der Mann es nicht mehr. Er musste sich freinehmen, um einen Tag lang nicht ‹Sledgehammer› zu hören.»
«Meine Sharon ist die Liebe meines Lebens»
«Last Rites» ist zudem eine Liebeserklärung an Ozzys Frau. «Sharon ist die Liebe meines Lebens. Sie ist mein Herz und meine Seele. Ohne sie wär ich ganz sicher nicht mehr am Leben.» Sharon habe ihm Dinge vergeben, für die er sich unendlich schäme und die unverzeihlich seien.
Ozzy hat bis kurz vor seinem Tod an seinen Memoiren gearbeitet. Sie enden mit einer emotionalen Beschreibung seines letzten Auftrittes im Juli in seiner geliebten Heimatstadt Birmingham. Danach scheint sich der Fürst der Finsternis mit der Endlichkeit versöhnt zu haben: «Der Tod klopft seit sechs Jahren an meine Türe, lauter und lauter. Irgendwann werd ich ihn wohl hereinlassen müssen.»