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Protestaktion Stars vs. Spotify: Der Streit geht weiter

Nach Neil Young will auch Joni Mitchell Spotify verlassen – und der Streamer plant Warnschilder gegen Covid-Fehlinformation. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wogegen protestiert Neil Young? Der kanadische Musiker wirft Spotify vor, das Coronavirus zu verharmlosen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Young forderte von der Streaming-Plattform, namentlich den Podcast des umstrittenen, aber sehr populären US-Comedians Joe Rogan aus dem Angebot zu nehmen. Andernfalls ziehe er sämtliche Songs von Spotify ab. Die Plattform entschied sich für Rogan.

Ist das der Anfang einer Grundsatzdiskussion? «Die ist schon am Laufen», sagt der SRF-Digitalexperte Jürg Tschirren. Zuvor hatte sich schon eine Gruppe von 270 Wissenschaftlerinnen und Gesundheitsexperten in einem offenen Brief an Spotify gewandt und Massnahmen gegen den Podcast von Joe Rogan gefordert. Doch nicht nur Spotify stehe in der Kritik, sagt Tschirren: «Auch andere Social Media Plattformen wurden schon mit dieser Kritik konfrontiert, allen voran Facebook.»

Spotify reagiert auf Kritik – so ordnen wir es ein

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Der Streamingdienst Spotify reagiert wohl auf Proteste von Stars – und geht gegen Fehlinformation zu Corona vor.
Spotify will in Zukunft alle Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis versehen.

Dieser soll Nutzerinnen und Nutzer zu wissenschaftlich fundierten Informationen aus verlässlichen Quellen führen. Gründer und Chef des Unternehmens, Daniel Ek, schrieb in einem Blog, er wolle diese Massnahme weltweit in den nächsten Tagen einführen.

Am Wochenende wurde bekannt, dass nach Neil Young auch Joni Mitchell angekündigt hat, ihre Musik von Spotify abzuziehen. Damit protestierten sie gegen Podcasts auf Spotify, die laut Wissenschaftlern Corona verharmlosten.

«Spotify sieht sich nun mit den Problemen konfrontiert, vor denen Facebook und andere Social-Media-Plattformen schon lange stehen», sagt SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren. Seit Spotify nicht mehr nur Musik, sondern auch Podcasts im Programm habe, stellt sich die Frage, welche Verantwortung der Streaming-Dienst für solche Inhalte übernehmen müsse.

Facebook und Co. hätten sich hier lange aus der Verantwortung geschlichen und auf den Standpunkt gestellt, sie seien blosse Technologie-Plattformen und nicht für die von ihren Nutzerinnen und Nutzern erstellen Inhalte verantwortlich», meint Jürg Tschirren. Erst zunehmender gesellschaftlicher und auch politischer Druck hätten dafür gesorgt, «dass sie nun doch dazu übergehen, bestimmte heikle Inhalte zu löschen oder zumindest mit Warnhinweisen zu versehen.»

Spotify werde sich dem anschliessen. Für Tschirren ist allerdings nicht klar ist, ob solche Zensurmassnahmen bei Covid-Skeptikerinnen oder Anhängern von Verschwörungstheorien zu einer Verhaltensänderung führen. «Im Gegenteil: Sie können sie sich in ihrem Glauben auch bestärkt fühlen, für das Aussprechen einer unbequemen Wahrheit mundtot gemacht zu werden und sich weiter radikalisieren.»


Ist der Spotify-Rückzug von Neil Young überhaupt möglich? Möglich ist er, aber es ist kompliziert. Denn die Musikrechte liegen in der Regel nicht bei den Musikern und Musikerinnen, sondern bei Plattenfirmen oder sogar Dritten. Neil Youngs Label Warner Music hat sich aber jetzt hinter ihn gestellt und Spotify gebeten, Youngs Musik von der Plattform zu nehmen.

Kann es zum Problem für eine Streaming-Plattform werden, wenn ein Künstler seine Werke abzieht? Wenn es sich nur um einen einzelnen Künstler handelt, wohl kaum. Man entscheide sich zwar auch wegen der vertretenen Künstlerinnen und Künstler für eine Plattform. «Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass jetzt viele Leute Spotify den Rücken kehren, nur weil sie Neil Young dort nicht mehr hören können», meint SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren. Zumal viele Youngs-Fans nicht auf Streaming angewiesen sein werden, um seine Musik zu hören.

Links Gesicht eines älteren Mannes mit Hut, rechts bulliges Gesicht eines jüngeren Mannes mit Mikrofon.
Legende: Young gegen Rogan. Dieser diskutiert in seinem Podcast «The Joe Rogan Experience» gern die Pandemie und riet etwa, junge Leute bräuchten keine Impfung. Keystone / AP

Was bringt der Trubel Spotify? Zusätzliche Aufmerksamkeit hat Spotify kaum nötig. Allerdings sei der Streaming-Dienst die Kooperation mit Rogan 2020 kaum blind eingegangen, sagt Jürg Tschirren: «Joe Rogan und sein Podcast waren schon damals dafür bekannt, dass sie auch Stimmen weit ab vom Mainstream zu Wort kommen lassen. Spotify hat das in Kauf genommen, weil mit Joe Rogan auch all seine Fans auf die Plattform wandern konnten». Gut 200 Millionen Leute hören sich jeden Monat Rogans Podcast an.

Was tun Streaming-Plattformen wie Spotify gegen Corona-Falschinformationen? Spotify selbst gibt an, sie hätten über 20’000 Podcast-Episoden gelöscht, die mit Covid-19 zu tun gehabt hätten. Auch Plattformen wie YouTube, Twitter oder Facebook haben mittlerweile viele entsprechende Inhalte gelöscht oder versehen diese mit Warnhinweisen, wenn die Informationen über Covid-19 umstritten sind.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 28.01.2022, 07:06 Uhr ; 

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