«Durch mein Leben ziehen sich Abstufungen von Hell und Dunkel, Licht und Schatten», sagt Mahsa Vahdat. Die Sängerin und Komponistin wurde 1973 in Teheran geboren. Während Jahrzehnten war sie im Iran als freiberufliche Musikerin und Gesangslehrerin tätig. Doch in den vergangenen fünf Jahre hat sich ihr Leben dort immer mehr verdunkelt.
«Ich mache mir grosse Sorgen. Das Leben im Iran muss sich unbedingt grundlegend ändern», erzählt Vahdat. Die ökonomische Situation sei extrem angespannt.
Die Freiheit als Gratwanderung
Sie selbst hat zunehmend soziale und politische Ungerechtigkeiten erfahren. Die Selbstbestimmung und die Meinungsfreiheit werden zusehends eingeschränkt.
Freiheit ist ein Schlüsselwort in Vahdats kreativem Universum. Immer sucht sie die Unabhängigkeit, geht ihren Weg. Auch, wenn dieser nicht unbedingt den Vorstellungen des iranischen Kultusministeriums entspricht. Eine Gratwanderung.
Sie findet ihre Nische
«Warum soll meine Kunst nur für ein bestimmtes Geschlecht bestimmt sein?», fragt sich Vahdat. «Nein, meine Kunst ist für alle auf der ganzen Welt da.» Sie hat innerhalb der engen Grenzen des islamischen Staates eine kleine Nische als freiberufliche Musikerin gefunden.
Die Musikerin hält sich an die strengen Gesetze. Sie unterrichtet nur in ihren eigenen vier Wänden und tritt nie in der Öffentlichkeit auf. Konzerte gibt sie nur im Ausland. Trotz Zensur hat sie viele Fans im Iran. Sie finden Wege, an ihre Musik zu kommen.
In einschlägigen Läden sind Kopien ihrer Musik erhältlich. Die sozialen Medien spielen auch eine wichtige Rolle. «Meine Musik ist vergleichbar mit Wasser. Sie fliesst und findet überall neue Wege», so die Künstlerin.
Vor fünf Jahren wird Vahdat bewusst, dass sie ihre Heimat verlassen muss. Vom Regime wird sie argwöhnisch beobachtet, der Druck auf sie wächst. Zu diesem Zeitpunkt ist sie aber noch nicht so weit: «Der Gedanke, den Iran zu verlassen, löste damals Panik in mir aus», erklärt die Sängerin.
Keine Kreativität, keine staatliche Unterstützung
Vahdat ist hin- und hergerissen, die Angst lähmt sie. Sie denkt, ohne ihre Heimat könne sie nicht kreativ sein. Und nur im Iran könne sie ihre Hauptaufgabe erfüllen, den klassischen persischen Gesang zu unterrichten und an ihre Schülerinnen weiterzugeben.
Ausserdem gibt es keinerlei staatliche Unterstützung dafür, diese Gesangstradition am Leben zu erhalten.
Vor drei Jahren spitzt sich die Situation im Iran immer mehr zu. Vahdats Freunde machen sich Sorgen, sagen, dass ihr Leben in Gefahr sei. Sie will es lange nicht wahrhaben, kommt dann aber zum Schluss: Wenn sie weiter im Iran bleiben will, muss sie schweigen.
Ihr eigener, ganz anderer Iran
Vahdat muss aber ihrer Kunst treu bleiben, Schweigen ist für sie keine Option. Sie muss den Iran verlassen.
Wie konnte Vahdat trotz aller Widrigkeiten so lange in ihrer Heimat bleiben? «Ich habe in meinem Iran gelebt», erklärt sie. Einem eigenen, anderen Iran. Einem Traumland, das sie sich mithilfe der Kunst und der Poesie erschaffen hat.
Egal ob Iran, Kalifornien oder Europa
Jetzt lebt Vahdat zwar in den USA, aber eigentlich erst einmal in ihrer eigenen Welt. Sie dachte immer, wenn sie ihre Heimat verlasse, würde sie ihr verloren gehen. Heute weiss Vahdat, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat.
Sie ist inzwischen überzeugt: Ob sie im Iran, in Kalifornien oder in Europa lebt – wichtig ist, dass sie kreativ ist und singt. «Die Kunst ist mein wahres Zuhause», sagt Mahsa Vahdat.