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Musikredaktor Moritz Weber über «Last Call» am Opernhaus Zürich
Aus Kultur-Aktualität vom 01.07.2019. Bild: Herwig Prammer
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 56 Sekunden.
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Science-Fiction-Oper Knallbunt geht die Welt zugrunde

Schrill mit schillernden Zwischentönen: Michael Pelzels Endzeit-Kammeroper «Last Call» lässt auf noch Grösseres hoffen.

Hektik macht sich breit in der Welt: Die Kommunikationsmedien sind ausser Kontrolle geraten, die Menschlichkeit ist verkümmert, die Apokalypse naht.

In einer schrillen Talkshow – wo sonst in einer solchen Gesellschaft – mit einem noch schrilleren Moderator wird nun beraten und abgestimmt, wie die Menschen dem Untergang entkommen können.

Ein Opernbühnenbild aus leuchtenden Neonröhren, davor zwei Sängerinnen.
Legende: Nur zwei Menschen (Christina Daletska und Annette Schönmüller) verpassen den «Last Call». Herwig Prammer

Noch bevor das Abstimmungsresultat vorliegt, ertönt der «Last Call»: der letzte Aufruf zur Evakuierung des Planeten; zur Flucht per Raumschiff zum Planeten Elpisonia. Zwei Menschen bleiben allerdings auf der Erde zurück.

Düstere Dystopie

Der Rapperswiler Komponist Michael Pelzel gehört zu den erfolgreichsten seiner Generation. Er hat sich längst international einen Namen gemacht.

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Oper ist ein Gemeinschaftswerk, sagt Michael Pelzel
aus Musikmagazin vom 29.06.2019. Bild: SRF / Sébastien Thibault
abspielen. Laufzeit 57 Minuten.

Er und der Luzerner Librettist Dominik Riedo greifen mit der Kammeroper «Last Call» am Opernhaus Zürich Themen unser medial durchwachsenen Gesellschaft auf – und steigern sie zu einer düsteren Dystopie. Ähnlich wie der Komponist Daniel Mouthon mit seiner Oper «Liquid Crystal Display» aus dem Jahr 2015.

Zwei Menschen mit eierförmigen Masken.
Legende: Manchmal bunt, manchmal ganz schön düster: ein Szenebild aus «Last Call». Herwig Prammer

Die Musik funkelt und schillert

Mit der Effektsicherheit eines Maurice Ravel kleidet Pelzel sein erstes Musiktheater – und damit auch sein bisher längstes Werk – in schillernde Klänge. Er verwendet dafür ein Kammerensemble mit Streichern, zwei Klavieren, Celesta und reichem Schlagwerk.

Chromatische und mikrotonale Tonleitern prägen das Werk, rätselhafte Akkordschläge scheinen das Ende der Welt einzuläuten, und die Klänge einer Glasharmonika sorgen für den passenden Weltraum-Touch.

Veranstaltungshinweis

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«Last Call» wird am 4. und 6. Juli erneut am Opernhaus Zürich aufgeführt.

Pelzel zeigt sich einmal mehr als Meister der Instrumentierung, seine Musik schimmert und funkelt. Er hat hier ein wirbliges Capriccio geschaffen – ruhige, lyrische oder tiefschürfende Partien kommen allerdings etwas zu kurz.

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Konstruierte Sinnlichkeit – der Komponist Michael Pelzel
aus Musik unserer Zeit vom 04.02.2015. Bild: Wikimedia/Andreas Fässler
abspielen. Laufzeit 1 Minute.

Vom Guru bis zur Influencerin

Ein illustre Gesellschaft tummelt sich in diesem Endzeit-Szenario: Etwa ein okkulter Ur-Guru (Ruben Dorle), ein exaltierter Moderator (Thomas Erlank), eine zwitschernde Influencerin (Alina Adamski) und die beiden verunsicherten letzten Menschen auf der Erde (Christina Daletska und Annette Schönmüller).

Ein Mann mit einem Federhut und dunkel geschminkten Augen.
Legende: So durchgeknallt als der Rest des Endzeit-Trüppchens: der Guru (Ruben Drole). Herwig Prammer

Unverkennbar hat hier auch György Ligetis Endzeitoper «Le Grand Macabre» Pate gestanden. Alle Sängerinnen und Sänger kosten ihre pointierten Charaktere denn auch lustvoll aus.

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György Ligetis Oper: Inspirierend und bunt wie ein Spielzeugladen
aus Musik unserer Zeit vom 27.02.2019. Bild: SRF / Sébastien Thibault
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Ein Vorgeschmack auf Grösseres

Mit Jonathan Stockhammer leitet ein ausgewiesener Experte für Neue Musik diese Uraufführung. Er versteht es, Pelzels Klangfarbenzauber aufs Trefflichste zu servieren. Die Inszenierung von Chris Kondek bebildert die Handlung im kleinen Rahmen der Studiobühne eindeutig.

Drei Personen spielen Mundharmonika
Legende: Eindeutig schrill: Annette Schönmüller, Jungrae Noah Kim und Alina Adamski. Herwig Prammer

Nach rund 80 Minuten bleibt das Ende dieser Geschichte allerdings offen. Und Michael Pelzel hat sich mit seinem kulinarischen Opern-Erstling durchaus für ein grösser angelegtes Werk empfohlen – für eine gross besetzte und abendfüllende Oper.

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