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Streaming-Manipulationen «Wir nehmen das Thema sehr ernst»

Misstöne im Musikgeschäft: Diverse Musiker und Musikerinnen kaufen Fake-Follower, um auf sozialen Netzwerken und Streamingdiensten ihre Karriere zu pushen.

Erschreckend ist auch: Die Streamingzahlen lassen sich für wenig Geld aufpolieren. Wie lässt sich das verhindern? Lorenz Haas, der Geschäftsführer des Branchenverbands der Musiklabels (IFPI), über Massnahmen im Kampf gegen die Manipulationen.

Lorenz Haas

Geschäftsführer der IFPI

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Lorenz Haas ist Geschäftsführer der IFPI, des Branchenverbandes der Musiklabels der Schweiz:.

SRF: Es gibt diverse Online-Firmen, die schon für wenig Geld Fake-Streams und damit eine grössere Reichweite generieren. Von wie vielen Fällen dieser Art der Manipulation gehen Sie aus?

Lorenz Haas: Ich kann Ihnen keine Schätzung dazu abgeben. Die haben wir nie gemacht.

Aber ist das ein grosses Thema bei der IFPI?

Wir nehmen das Thema sehr ernst. Als Teil der Massnahmen haben verschiedene Streaming-Anbieter, aber auch die Weltorganisation der Phonoproduzenten IFPI, einen «Code of Best Practices» verabschiedet, in dem sie Stream-Manipulationen verurteilen und Empfehlungen abgeben, wie Unternehmen damit umgehen sollen und wie sie verhindert werden können.

Aber letztlich liegt es an den Streaming-Providern selbst, Massnahmen zu treffen, um Manipulationen zu erschweren oder zu verhindern.

Ich habe bei einigen Streaming-Diensten angefragt – diese schweigen. Was empfiehlt die IFPI im Kampf gegen diese Fake-Streams?

Man müsste die User-Accounts besser kontrollieren. Vergleichen wir mal die beiden wichtigsten Musik-Streaming-Anbieter in der Schweiz – Apple Music und Spotify.

Bei Apple Music braucht man eine doppelte Identifizierung, auch mittels Apple ID. Apple weiss also genauer, wer die Kunden sind. Bei Spotify kann man sich sehr einfach einen User-Account einrichten, und es wird nicht doppelt geprüft.

Das führt dazu, dass nach unseren Erfahrungen die Stream-Manipulation bei Spotify häufiger auftreten können als bei Apple Music.

Es hätte ja weitreichende Folgen, wenn das nicht gut kontrolliert würde – unter Umständen sogar auf die Hitparade?

Das ist möglich. Wir stehen deswegen auch im Austausch mit den Streaming-Anbietern.

In der Schweiz werden die Charts von GfK Entertainment kompiliert, einem Marktforschungsunternehmen. Die wissen, dass bereits die Streaming-Anbieter gewisse Kontrollen vornehmen.

Die Charts-Compiler machen zusätzliche Kontrollen über Algorithmen. Sie kontrollieren das Verhältnis von Streams auf gewissen Plattformen zu anderen Plattformen.

Solche Massnahmen, um nur um ein Beispiel zu nennen, verhindern schon weitestgehend, dass es zu relevanten Auswirkungen in den Schweizer Charts kommt.

Gibt es technische Möglichkeiten, um Fake-Streams vorzubeugen, indem zum Beispiel das Programm sich die IP-Adresse eines Geräts merkt und so begreift, dass es immer das gleiche Gerät ist?

Die gibt es. Solche Instrumente werden auch genutzt, so dass man sieht, dass eine bestimmte IP-Adresse einen Titel eigentlich Tag und Nacht spielt und dass da sehr wahrscheinlich kein menschlicher Nutzer oder echter Nutzer dahinter ist. Das ist einer der Wege, wie man unechte Streams entdecken kann.

In welchem Ausmass fliessen denn die Streamingzahlen generell in die Hitparade ein?

Streams werden nach ihrem Wert den Downloads beigemischt. GfK Entertainment, unser Charts-Kompilator, errechnet da aus dem Markt Durchschnittswerte, so dass wir heute von einem Verhältnis von 1 zu 285 ausgehen. 285 Streams sind also gleich gewichtig wie ein einziger Download für die Chartbewertung.

Das Gespräch führte Moritz Weber.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 8.5.2020, 17:10 Uhr ; 

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