Das Ensemble MusicAeterna des Stardirigenten Teodor Currentzis polarisiert. Das liegt zum einen an den eigensinnigen Interpretationen – beim Lucerne Festival war Currentzis immer wieder gern gesehener Gast –, zum anderen an dem spirituellen Sendungsbewusstsein des Gründers.
Die Kritik hat aber auch politische Gründe: 2014 erhielt der Grieche Currentzis die russische Staatsbürgerschaft. Zudem wird das Ensemble überwiegend von russischen Institutionen und Mäzenen finanziert: Unter den Sponsoren finden sich russische Banken und Energieunternehmen wie Gazprom.
Keine Abgrenzung von Putin
Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine forderten deshalb viele von Currentzis und seinem Ensemble ein klares Statement. Doch die hüllten sich bislang in Schweigen – wohl auch, weil eine Kritik an Putin unangenehme Folgen hätte.
Nun haben die Musikjournalisten und Blogger Axel Brüggemann und Alexander Strauch die Aktivitäten einiger Mitglieder von MusicAeterna in den sozialen Netzwerken unter die Lupe genommen. Ihre Recherchen zeigen eine klare Nähe mancher Musiker zu Putin und seiner Politik.
Da postet etwa ein russischer Tenor ein nationalistisch-patriotisches Durchhaltelied. Der Sänger erweist sich auch noch als Fan der brutalen Söldnertruppe Wagner. Andere Ensemble-Mitglieder statten ihre Accounts mit russischen Flaggen aus und teilen deutlich ihre Unterstützung des Angriffskriegs mit.
Damit werden erstmals konkrete Positionen von rund einem Dutzend Musikerinnen und Musiker aus dem Currentzis-Umfeld bekannt.
Die Frage nach den Folgen
Salzburgs Festspielintendant Markus Hinterhäuser, ein vehementer Currentzis-Unterstützer, hält am Dirigenten fest. Dieser war erst diesen Sommer mit MusicAeterna in Salzburg aufgetreten.
Es gebe für ihn keinerlei Grund, an der ethischen Grundhaltung von Currentzis zu zweifeln, so Hinterhäuser. Für den Sommer 2023 habe er allerdings bereits vor der aktuellen Recherche keine Auftritte von MusicAeterna eingeplant.
Künftig ohne KKL
Bei mehreren Konzerten im nächsten Sommer wird Currentzis mit seinem unlängst gegründeten Orchester Utopia spielen. Dieses tritt als Projektensemble ohne festen Sitz auf und hat ausschliesslich westliche Geldgeber. Beim Lucerne Festival dagegen spielt er künftig wohl weder mit MusicAeterna noch mit Utopia eine Rolle.
Eine klare Position zu Currentzis hat auch der Dortmunder Intendant Raphael von Hoensbroech, in dessen Konzerthaus am 25. November Verdis «Requiem» mit MusicAeterna auf dem Programm steht. Von Hoensbroech setzt auf Differenzierung: So soll MusicAeterna ohne die umstrittenen Musiker auftreten.
Noch deutlicher äusserte sich Louwrens Langevoort, der Chef der Kölner Philharmonie. Er möchte Currentzis ob seines Schweigens grundsätzlich nicht mehr beschäftigen und hat ihn unlängst ausgeladen.
Kein Sender zeigte Interesse
Auch von einer weiteren Seite gab es Druck: So wurde Currentzis im letzten Salzburger Festspielsommer zu Recht bejubeltes Operndoppel mit Werken von Bartók und Orff zwar aufgezeichnet. Jedoch fand sich bisher kein Sender, der es ausstrahlen will.
Es scheint im Moment unklar, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Im besten Fall könnte ein Aufklärungsprozess folgen. Insider berichten seit längerem von heftigen Diskussionen innerhalb von MusicAeterna.
Die Frage bleibt, ob der Dirigent über die Grenzüberschreitungen und Haltungen einiger seiner Ensemble-Musiker weiter schweigen kann.